KommentarKurdistan

Die Einhorn-Hüpfburg am Lake Mossul

Von Deutschland aus sind es nur vier Flugstunden zur kurdischen Hauptstadt Erbil. Dort erwartet einen ein moderner Flughafen und freundliche und offene Menschen. Dass die Autonome Region Kurdistan zum Irak gehört, merkt man kaum: Eine eigene Sprache, eigene Flaggen, eigene Polizei und eigenes Militär – die Peschmerga. Man kann einfach hinfliegen und in der friedlichen Region Urlaub machen, während die Nachbargegenden im Chaos versinken. 

Die Straße Richtung Mosul

Vorbei an der Baustelle des achtspurigen „Erbil Highway“ geht es auf einer zweispurigen Landstraße Richtung Syrien. Durch Mosul kann man als Tourist nicht, dafür bräuchte man ein irakisches Visum. Also fährt man durch Kurdistan in Richtung der Großstadt Dohuk. Man fährt durch die wunderschöne Gegend, die Karl May zwar nie gesehen, aber ausführlich beschrieben hat. In den Dörfern säumen kleine Läden die Straße. Mal wie Supermärkte, mal wie ein Kiosk, mal mit Kinderspielzeug. Bei kurdischer Fahrweise ist man in knapp zwei Stunden da, bei deutscher in drei. Man passiert die größten Flüchtlingscamps der Gegend: Sharya und Domiz. Zusammen wohnen hier mehr als einhunderttausend Menschen. Die Region Kurdistan hat 2,5 Millionen Menschen aus Syrien und dem Rest-Irak aufgenommen, als der IS kam. Die fünf Millionen Einwohner sehen da kein Problem drin.

In Dohuk kann man den Wegweisern nach Syrien, Bagdad oder Mosul folgen oder weiter Richtung „Ibrahim Khalil“, dem Grenzübergang zur Türkei, auf dem auf kurdische Seite metergroß „KURDISTAN“ steht. Das ist kein Problem. Die Türkei bildet das kurdische Militär (die Peshmerga) aus und gibt ihnen Waffen und Munition. Im Gegenzug hat die türkische Armee hier mehrere Stützpunkte und eine Airbase, von der aus sie in erster Linie PKK-Kämpfer jagt, welche die Türkisch-Irakische Grenze überschritten haben. Kurden sind nicht gleich Kurden. Aber das ist eine andere, sehr komplizierte Geschichte.

Vor Syrien links abbiegen

Aber soweit muss man gar nicht fahren. Nachdem man die moderne „Family Mall“ und den dazugehörigen Freizeitpark passiert hat, biegt man nach Semel ab. Die Straßen werden kleiner und holpriger. Es geht weiter ins Dorf Khanke, mit dem gleichnamigen Flüchtlingscamp. Im Camp und drum herum leben rund 50.000 jesidische Flüchtlinge, meist aus Shingal. Kurz bevor man den Lake Mosul erreicht, steht links das große, bunte Gebäude mit den laut schreienden Kindern, welches ich immer wieder besuche. Der Verein „Our Bridge“ hat hier eine Waisenhaus und eine Schule aufgebaut und betreibt diese seit Jahren, ohne von den üblichen NGOs oder Programmen unterstützt zu werden. „Was sollen wir sonst machen? Waisenkinder wegschicken? Oder die Kinder aus den Camps ohne Bildung in die Zukunft starten lassen? Man muss doch helfen!“ ist die simple Begründung des Initiators Paruar Bako. Er warf sein geregeltes Leben in Deutschland weg, um sich vollständig der humanitären Hilfe widmen zu können.

Es gibt hier sonst weit und breit keinen Ort exklusiv für Kinder. Die Region ist unglaublich kinderfreundlich, aber in einem Flüchtlingscamp und ohne Geld kann man nur eingeschränkt Spaß haben. Hier in der Schule geht es. Es gibt einen großen Schulhof mit Spielplatz, Basketballfeld und Musik. Ohrenbetäubend lauter Musik. Dazu schreiende Kinder, dass einem die Ohren platzen. Neben einem Flugzeug zu stehen, kommt einem leise vor. Aber es ist großartig, diesen Lärm zu erleben. In Sichtweite fanden vor drei Jahren unbeschreibliche Gräueltaten des IS statt. Heute haben hier Kinder Spaß in einem Ausmaß, das ich aus Deutschland gar nicht mehr kenne.

Die Hüpfburg!

Und es gibt etwas neues: Eine Hüpfburg! Genau genommen eine Einhorn-Hüpfburg. Doch wie kommt die hierher?!

Anfang des Jahres hatte Paruar Bako einen 40-Tonner organisiert, der Hilfsgüter nach ins Waisenhaus nach Khanke bringen sollte. Er bat alle Leute, Spielzeug und ähnliches zu spenden, mit dem die Kinder draußen spielen können. Ich kannte seine Arbeit und die Kinder und wollte etwas tun. Nur was? Zunächst kaufte ich Fußballschuhe, Trikots, Bälle usw. für drei Mannschaften. Aber irgendwie gefiel mir die Sache nicht. Schuhe, Bälle und Trikots kennt man auch dort. Es gibt 4G-Internet, es gibt Facebook und es gibt Youtube. Fußballschuhe sind gut, aber nicht das ultimative Geschenk für Kinder, die die Welt da draußen kennen. Also wollte ich etwas größeres, besseres, tolleres haben. Nur was? 

Eine Nacht auf eBay sollte es lösen. Zunächst stöberte ich bei Klettergrüsten und Rutschen, die man mit Wasser fluten kann. Man bekommt dann immer andere Produkte angezeigt, welche einen zum weiteren Kauf verleiten sollen. Eins kam zum anderen und ich landete bei Hüpfburgen. Ich hatte in Kurdistan nie eine gesehen und dachte mir: Das ist es! Doch welche? Und warum waren die so teuer? Dann fiel mir die Hüpfburg mit Einhorn ins Auge. Die, und zwar nur die sollte es sein. Ich hatte immer die Kinder und ihre Geschichten im Kopf. Sie hatten es verdient, mal etwas richtig tolles zu bekommen. Viertausend Euro später gehörte mir die Hüpfburg mit allem nötigen Zubehör und dem Transport. Super.

Aber mein Marketinggespür sagte mir: Das ist die seltene Chance, von Leuten Geld für einen guten Zweck zu bekommen. Wenn ich Leute finde, die sich an der Hüpfburg beteiligen, dann kann ich das Geld, welches ich quasi eingespart habe, direkt an Our Bridge spenden. Win win. Eine Sache muss an sich nur blöde genug klingen, damit Leute mitmachen. „Helft armen Kindern, die es verdient haben“ zieht in Deutschland leider nicht mehr. „Möchtest du Anteile an einer Einhorn-Hüpfburg am Lake Mosul erwerben?“ zieht richtig gut. Binnen 24 Stunden war die Hüpfburg von mehr als dreihundert großartigen Menschen bezahlt. Mir gehörte also nur noch ein kleiner Teil einer Hüpfburg, aber OurBridge konnte sich über eine großartige Spende UND eine Hüpfburg freuen. 

Die Hüpfburg ging also vom Verkäufer an die Sammelstelle in Deutschland und weiter über Osteuropa und die Türkei bis an den Lake Mosul. Dort, bei Our Bridge, ging aber der Alltag weiter: Es regnete in Strömen, ein Basketballplatz musste gebaut werden und vor allem mussten Waisenhaus und Schule laufen. Tage gingen ins Land, dann Wochen. Die Hüpfburg lag im Lager und ich wartete sehnsüchtig auf die Nachricht, dass sie steht.

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