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Ein Tag auf der Militär- und Polizeimesse

Ich habe mir mal die schillernde Welt der MiliPol einen Tag lang für euch angesehen. Die MiliPol in Paris ist die größte Fachmesse für Sicherheitstechnik. Hier trifft man Geheimdienste, Polizei und Militär aus allen Ländern und kann sich über Scharfschützengewehre, Abhörtechnik und gepanzerte Fahrzeuge informieren und alles mal angucken.

Kurz nach den Anschlägen in Paris dürfte eine solche Messe der sicherste Ort sein, dachte ich. Als wir zum Messegelände fuhren, hatte sich erst drei Stunden zuvor nur einen Katzensprung entfernt eine Frau in die Luft gejagt und eine ganze Straße erschüttert. So kann man sich irren.

Dass diese Messe aber anders ist als andere, merkt man schon am Eingang. Aufwändig werden alle Besucher abgetastet und das Gepäck durchsucht. Direkt dahinter stehen andere Besucher, prüfend mit Sig Sauer Pistolen in der Hand und zielen auf Vorbeigehende. Waffen mitbringen ist also nur als Aussteller in Ordnung, als Besucher nicht. Ok, gelernt. Man sollte auf so einer Messer aber weder eine Scheu vor Waffen mitbringen, noch zu hohe moralische Standards ansetzen. Ich bin durch meine Besuche der IS-Front Kriegswaffen gewöhnt und kenne aus Deutschland die Waffen, die ich beim Sport schieße. Von moralischen Vorstellungen habe ich mich schon lange verabschiedet. Also werfe ich mich ins Getümmel, hantiere mit Granatwerfern, Scharfschützengewehren und nehme den einen oder anderen Verkäufer mit Wärmebild-Zielfernrohren ins Visier – sowas findet man hier alles lustig. Haut man den Nebenmann ausversehen mit dem Gewehrkolben, dann entschuldigt man sich kurz und alle lachen.

Hat man diese Spiel-Phase erst mal überwunden, ist der Blick wieder für das eigentliche frei: Das hier ist eine der größten Wirtschaftsbranchen der Welt und man ist immer in einem Spannungsfeld zwischen: „Wir brauchen das“ und „warum braucht man das“? Die Anschläge in Paris haben deutlich gezeigt, wie wichtig es ist AK-47-sichere Schilde und Westen zu haben und dass man selbst im urbanen Umfeld in Ausnahmen einen Granatwerfer gegen Menschen einsetzt. Und niemand hat etwas dagegen. Auf der anderen Seit gruseln einen die winzigen Kameras und die Stände, die mit „nicht zu entdeckende Türöffnung“ werben. Doch das ist der Punkt, an dem ich das erste Mal stoppte: Tür aufmachen? Wo doch jeder seine Daten auf dem Handy preis gibt? Warum?

Mit dem Verkäufer komme ich ins Gespräch. Die obligatorische erste Frage ist immer „Privater Sektor oder Regierung“ – mir liegt es auf der Zunge „Regierung“ zu sagen, um die richtig guten Produkte zu sehen. Aber mein Namensschild hat einen RFID-Chip eingebaut, der an jedem Stand gescannt wird. Meine Firma, Name, Sektor, Emailadresse, Adresse,… naja.. mein halbes Leben wechselt mal eben auf das Smartphone des Verkäufers. „Ah Deutschland – das ist ja blöd. Oder operieren Sie auch im Ausland?“. Es geht nicht um den moralischen Aspekt, sondern um die Regularien. Wer wo was wie darf, weiß hier jeder aus dem Kopf. Ich erkläre, dass ich aus einem anderen Bereich komme und mich wundere, warum man noch Türen öffnen muss. Und da fängt es schon an: Will man einmal durchsuchen? Aufbrechen. Ganz einfach. Oder will man ein mal mit einem Gerät unauffällig rein, z.B. um das Objekt zu verwanzen? Oder will man wieder kommen und benötigt einen Zweitschlüssel? Er hat keine eigenen Produkte, aber handelt mit vielem von anderen Unternehmen. Daher kann er alles bieten: Hydraulisch mit bis zu 50 Tonnen Druck die Tür „aufsprengen“ fürs Grobe oder ein 3D-Röntgen des Schlosses machen und den Drucker im 3D-Metalldrucker fertigen.

Auch wenn fast jeder heute ein Smartphone hat, so haben die Menschen doch dazu gelernt. Selbst wenn der Akku alle ist, kann das Gyroskop mit einer Reserve noch Bewegungen aufzeichnen und die nachher ausgelesen werden. Also hat der Kriminelle von heute das Handy einfach nicht mehr bei. Zum anderen kann auch nicht einfach jeder Polizist „mal eben“ auf jedes Handy zugreifen. Das können schon technisch nur wenige (vermutlich Amerikaner, Chinesen, Russen und Israelis) und auch als Partnerland von diesen ist es kein Wunschkonzert. Das klassische Verwanzen und mit Kameras ausstatten liegt also hoch im Kurs – egal ob im Auto oder zuhause. Somit gibt es auch einen Koffer, der mein normales Reisegepäck in Größe und Gewicht übersteigt, der Etage für Etage die Schlüssel für die gängigen KFZ-Hersteller bietet. „Auslesen und Schlüssel kodieren in 5 Minuten“ – praktisch für jeden, der seinen Schlüssel oft verliert. Lustiges Detail am Rande: Klappt nur mit den Originalschlössern. Mit denen aus dem Zubehör gibt es oft Probleme.

Und natürlich wird viel aus dem Nähkästchen geplaudert. Ein Mann einer mittelafrikanischen Regierungsbehörde erklärt mir, dass es immer nervig ist, die Ware erst zerlegen, dann in 2 Lieferungen schicken zu lassen. Aber diese Embargos und Regeln… dass wir uns nicht mal kennen, stört nicht – so etwas ist spätestens seit dem Blockbuster „lord of war“ auch jedem hier bekannt.

Etwas ironisch war eher das Ausbleiben einiger Aussteller. So ist ein Hersteller für Anzüge, die man bei der Entschärfung von Bomben trägt, aus „Sicherheitsgründen“ nicht erschienen. Das Gespött der ganzen Branche.

Pauschal würde man sagen: das sind alles Kriegsgewinner. Auf der anderen Seite möchte ich aber, dass z.B. die GSG 9 ordentliche Ausrüstung hat, für den Fall, dass ich mal die Geisel bin. Wo läuft also die Grenze? Und wie ist es mit dem Stand eines Forensik-Unternehmens? Forensik kann eigentlich nichts Böses sein. Hier lerne ich den kleinen aber wichtigen Unterschied dieser Branche: Medizinprodukte sind keine Forensikprodukte. Nimmt man z.B. medizinische Wattestäbe um Spuren bei einem Mord zu sichern, so können diese durchaus DNA-Spuren von Mitarbeitern haben. Bei Forensikprodukten ist dies nicht der Fall. Am Ende lerne ich noch, wie man DNA-Spuren und Fingerabdrücke vermeidet oder los wird.

Am Stand eines französischen Unternehmens wird gezeigt, wie unsicher die meisten RFID-Chips sind. Um das praktisch zu zeigen, kann man am Stand eine „Sicherheitskopie“ seiner digitalen Eintrittskarte fertigen lassen und direkt mitnehmen. Spannend, wenn der Veranstalter dort vorbei kommt und sich direkt mal beraten lassen kann.

Am Ende kann man sagen: Die Branche ist spannend, wirr und teuer und man ist sich am Ende immer noch nicht sicher, wer die Guten und wer die Bösen sind oder ob man das überhaupt unterscheiden kann.

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