KrisengebieteRüstung

Eine Woche zu Gast beim Kriegsprofiteur

Fidelis Cloer ist auch bekannt als der „Bulletproof Salesman“ seitdem die Doku über seine Arbeit in Bagdad so genannt wurde. Er hat in 27 Jahren in mehr als 60 Ländern gearbeitet. Sein Job war es gepanzerte Fahrzeuge zu verkaufen, weiterzuentwickeln und zu produzieren. Zu den Kunden zählen Nelson Mandela, Robert Mugabe, die EU und UN sowie unzählige Geschäftsleute und Botschaften. Wir kennen uns seit einigen Jahren, da sich unsere Wege immer wieder kreuzten. Inzwischen lebt er in Dubai, hat dort eine der Produktionen für gepanzerte Fahrzeuge und bietet auf einer großen Anlage die Fahrertrainings an. Da ich mich regelmäßig an der IS-Front aufhalte, wollte ich solche Trainings schon lange machen, war nur nie dazu gekommen. Nun stand ein Training an, welches gut in meinen Terminkalender passte.

Ich war vorher noch nie in Dubai und habe mich nie besonders damit befasst, also musste ich das nachholen. Dort wohnen rund 2.5 Millionen Menschen von denen aber nur 200.000 zu den „Locals“ zählen. Davon ist jeder dritte Millionär. Mehr als 25% der Bevölkerung stammt aus Indien und macht so ziemlich jeden Job, den man im Alltag sieht. Die defacto Sprache vor Ort ist Englisch. Durch die hohen Strafen ist das Leben dort extrem sicher. Man kann in der Bar Handy und Portemonnaie auf dem Tisch liegen lassen, wenn man zur Toilette geht oder die teure Kamera gut sichtbar im Auto. Das ist der angenehme Teil der Medaille.

Der Bulletproof Salesman

Fidelis ist auch außerhalb der Kameras so, wie davor. Das ist bei vielen Leuten nicht der Fall. Er ist zu absolut jedem gleichermaßen höflich. Grüßt den Poolboy genauso freundlich, wie den Botschafter, hat alle Smalltalk-Themen parat und nutzt jede Minute zum Arbeiten. Es war absehbar, dass wir die Woche lang gut klar kommen. Die Abende im Appartement hörte man meist nur das Tastenklackern vom Beantworten der jeweiligen Emails und ab und zu haben wir uns „lustige“ Emails gegenseitig vorgelesen. Wir mögen beide schöne Motorräder und schnelle Autos. Jedoch habe ich bisher „nur“ vierzig Länder gesehen und war deutlich kürzer dort als er. Eine Frage die einem bei dem Leben immer zuerst einfällt: Ist er ein Kriegsprofiteur? Fidelis sagt zu mir im Interview: Ja! Aber nicht der einzige. Er schafft den Markt nicht, er schafft kein neues Leid, er bedient nur einen Kundenwunsch. Genau so, wie es z.B. Burger-King vor Ort tut, Coca Cola oder der Hersteller des Verbandsmaterials. Der Argumentation kann ich auch inhaltlich gut folgen.

Wir hatten die gesamte Woche zwischen 30 und 35 Grad, was schon etwas zu warm für das Training war. Dies fand nördlich von Dubai City auf der großen Anlage statt, welche Dünen, Straßen, Asphaltfächen usw. hat. Also alles, was man für ein „Armored vehicle secure driver“-Training benötigt. Das Training besteht aus mehreren Blöcken. Man lernt die erste Hilfe in Situationen, in denen man keine fremde Hilfe erhalten kann. Hier wird nach dem MARCH Protokoll vorgegangen, also starke Blutungen an den Extremitäten, Atemwege, Atmung, Blutungen, Unterkühlung. Stück für Stück taste man sich an die einzelnen Schritte ran, lernt den Umgang mit den wichtigsten Erste-Hilfe-Utensilien aus einem erste Hilfe Kasten für Kriegsgebiete und wie und wo man diese Sachen verstaut. Die Ausbilder haben mehr als 15 Jahre Erfahrung im Schutz von Diplomaten bzw. waren in der Spezialeinheit der belgischen Armee. Sie arbeiten auch heute noch im Personenschutz von Politikern. Lustigerweise hatten sie mal einen bekannten von mir geschützt. Sie vermitteln eine große Kompetenz und sind dabei sehr unterhaltsam. Also so, dass man es gut aushält. Die anderen Teilnehmer sind meist Fahrer von Diplomaten oder einer staatlichen Fahrbereitschaft. Während ich noch die Grundlagen der schweren Fahrzeuge lernen muss, kennen die erfahrenen Fahrer diese meist und verfeinern das Handling nur noch.

Erste Hilfe im Kriegsgebiet

Nach einem Tag weiß man, wie man Menschen schnell wegzieht, wie man starke Blutungen z.B. von Schussverletzungen stoppt und wie man eine schwer-verletzte Person für eine knappe Stunde stabilisieren kann. Klingt teilweise trivial, ist es aber leider nicht. Jemanden schnell von einem Ort zu einem anderen Ziehen ohne lange bei ihm zu bleiben und ohne große Angriffsfläche zu bieten ist schon ein ziemliches Unterfangen.

Gepanzerte Fahrzeuge richtig fahren

Ab dem zweiten Tag geht der große Spaß los: Auto fahren. Es stehen vier LandCruiser zur Verfügung. Die Spitznamen waren schnell verteilt: Der alte (teilgepanzerte), der ungepanzerte, die Todesfalle und der gute. Die Todesfalle ist ein sehr schlecht gepanzerter Wagen eines Mitbewerbers. Die Panzerung an sich ist ok, jedoch gibt es etliche Lücken durch die Kugeln an der Panzerung vorbei rein kommen. Dies zeigte sich, als Paintballkugeln (!) durch die Türfalz kamen. Auch waren hier weder Federung noch Bremsen angepasst worden. Warum trainiert man mit sowas? Weil es gut sein kann, dass man in der Praxis mal mit so einem Wagen fahren muss.

Das Training beginnt ganz harmlos: Auf 50km/h Beschleunigen und Bremsen, einen Slalom fahren, einen Ausweichhaken. Mit dem eigenen Auto macht man das im Halbschlaf noch zuverlässig. Wenn der Wagen aber auf einmal 5.5 Tonnen wiegt, sieht die Sache anders aus. Als eine der nächsten Übungen kommt der „J-Turn“, also rückwärts fahren, dann 90 Grad abbiegen um dann vorwärts weg zu kommen. Hierbei habe ich den gepanzerten Wagen bei rund 30 km/h fast zum Überschlag gebracht. Da merkt man dann auf einmal, warum auch diese einfachen Übungen extrem wichtig sind. Erst bremsen, dann lenken. Langsam steigert man sich auf einfache gespielte Checkpoints bei denen man erkennen muss, ab wann es brenzlig wird und wie man schnell weg kommt. Zu guter Letzt kommt ein Instruktor der lokalen Rennfahrer zum Einsatz und zeigt einem, wie man mit so einem Wagen richtig driftet. Klingt nach Spaß, ist aber auch ernst: Wenn einem die Reifen zerschossen werden, hat man zwar die Notlauffelge, aber diese rutscht dauernd weg. Das sind alles noch Basics auf einer großen Fläche mit Pylonen. Der nächste Teil sind dann richtige Szenarios.

Das Szenariotrining

Richtig interessant wird es, nachdem man all dies hinter sich gelassen hat. Man sitzt im Klassenraum und bekommt das Briefing: Verletzte Person in der Wüste bergen, Situation unklar. Das gute ist, dass man hier wirklich bei 35 Grad in der wüste sitzt. Die luft ist staubig und trocken, die Autos viel zu heiß. Auf einem ADAC Platz in Deutschland kann man das z.B. kaum simulieren. Man rennt also zu den Fahrzeugen, kontrolliert sie nach Bomben, teil die Teams ein, meldet sich per Funk bei der Kontrolle und fragt den Status der Strecke ab. Man bekommt Informationen zu Checkpoints, Zwischenfällen in der Gegend usw. und rückt aus. Über die Straßen zwischen den Dünen geht es durch unbesetzte Checkpints, bis etwas passiert. z.B. wird man gestoppt und jemand versucht einen, den Konvoi zu überfallen. Oder man findet die Person, die man retten muss.

Der Beschuss wird mit Paintballmarkierern simuliert. Das kommt dem echten Leben halbwegs Nahe: Die Scheibe wird schnell undurchsichtig und man muss anders den Überblick behalten. Gepanzerte Scheiben platzen beim Beschuss und sind kaum noch benutzbar. Auch sind viele Leute von Hollywood verwöhnt: Es ist nicht so, dass das Projektil einfach abprallt. Wenn die Panzerung hält, dann ist die Scheibe gesplittert (aber nicht gebrochen). Sie ist durchaus mehrere cm eingedrückt und das Projektil steckt drin. Beim Aufprall geht eine Schockwelle durch das Auto, die jedes Staubkorn in die Luft befördert, das im Sitz war. Man hat also noch weniger Sicht, fängt an zu husten, muss versuchen über die Spiegel zu navigieren oder an den kaputten Stellen der Scheibe vorbei zu sehen. Dazu der ganze Strass und das Adrenalin, was sich kaum simulieren lässt.

Aber für das Training reicht das Szenario total aus. Es kann auch passieren, dass weitere Teammitgleider durch Beschuss verletzt werden, dass ein Fahrzeug ausfällt oder sonst was. Dass der simple Stress einem schon zusetzt habe ich gemerkt, als ich der erste Fahrer im Konvoi war. Beim zurücksetzen unter Beschuss habe ich versucht, das Fahrzeug hinter mir weiter gut zu schützen, da sie die Verletzte Person aufgenommen hatten. Dabei musste ich einen weiten Bogen um sie fahren und habe ein Verkehrzeichen mitgenommen. Kein Problem für die Panzerung, aber die Kunststoffstoßstange hat es nicht überlebt. Am Ende der Woche steht eine praktische Prüfung die im Team abgelegt wird. Danach wird entschieden, ob man die Teile „Fahren“ und/oder „Erstversorung“ bestanden hat.

In der Fertigungshalle

Einen Abend lang sah ich mir die Fertigung der Fahrzeuge an. Der Umbau des Wagens dauert je nach Umbau und Ausstattung rund 750 Arbeitsstunden. Dazu muss jedes Stück stahl absolut akkurat gefertigt sein. Es gibt einen einfachen Punkt an dem man als Laie sehen kann, ob gut gearbeitet wurde, oder nicht: Die Spalten der Teile. Da sollte jede Spalte zwischen den Türen, Hauben usw. absolut gleich sein. Vor allem sollten die Türen nicht „Abfallen“, also sich nach unten ziehen. Fidelis demonstrierte die Qualität einfach, indem er sich auf die offene Tür setze und diese noch problemlos zu bewegen war. In der Fertigung lagen auch etliche Teile von Fahrzeugen, die beschossen wurden unde die Repariert werden mussten. Wenn man die Zerstörung sieht, wird einem ganz anders und man fragt sich einfach nicht, ob sie das überlebt haben.

Am Ende der Woche hatte ich beide Teile der Zertifizierung bestanden und kann nun guten Gewissens die Fahrzeuge fahren, die ich bisher auch gefahren bin. Aber ich bin mir sicher, dass ich es jetzt viel besser kann.

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