Kommentar

Journalisten in Demos

In Demonstrationen kann es schnell heiss her gehen – und dann wieder stundenlang uninteressant sein. Doch wie geht man dort im Allgemeinen mit schwierigen Situationen um? Ein Kommentar.

Solange eine Demo gesittet läuft, rennt man einfach rum, filmt, fotografiert oder guckt sich die Leute an, alles kein Thema. Die Polizei interessiert das meist gar nicht, die Teilnehmer bedingt. Beim Schwarzen Block o.ä. ist man immer wieder Kamerascheu, aber echte Probleme habe ich auch da nie gehabt. Eher dass man zwischen „Ey, mich bitte nicht“ und „Nimm die Kamera weg du Arschloch!“ darauf hingewiesen wird. Bei rechten Demos ist man immer wieder die „Lügenpresse„. Soweit, so gut. Ignoriert man halt. Leute, die nicht gefilmt werden wollen, filme ich häufig auch nicht, kommt aber auf den Einzelfall an. Auf der Demo darf man filmen – wenn diese Aufnahme für den gesamten Kontext aber egal ist, kann ichs halt auch lassen. Wenn es eine entscheidende Szene ist (z.B. als die Identitären den Journalisten angegriffen haben) halte ich halt drauf.

Wenn zwei Demos von der Polizei mit Sperren voneinander getrennt sind, geht man zur Polizei hin, zeigt den Presseausweis (manchmal zusätzlich den Personalausweis) und kann durch. Auch da hatte ich nie wirklich Probleme.

Wenn es irgendwo eskaliert wird es manchmal kompliziert. Leute rennen, schreien, irgendwas ist los. Da rennen dann alle Journalisten hin und halten erstmal drauf. Manche Journalisten haben auf Demos, auf denen mit Problemen zu rechnen ist, Helme auf und teilweise auch Westen mit „Presse„. Wenn man so aussieht und viele Kameras um hat, rennt die Polizei meist um einen rum – aber natürlich kann man dabei angerempelt werden. Passiert halt. Journalisten dürfen Helme und Notfalls Gasmasken tragen, wenn es gerade nötig erscheint.

Ich habe oft nur mein Handy bei und keine weitere Kennzeichnung. Daher passiert es ab und zu, dass ich zur Seite geschoben werde oder auch mal mit in einem Kessel/einem Abdrängen/etc. ende. Schlimmstenfalls auch bei den Rechten, die eher pressescheu sind. Aber im Normalfall geht so ein Gerangel 1-2 Minuten, dann steht alles. Man hält dem nächsten Polizisten den Ausweis vor und schiebt sich so gut es geht durch die Kette raus. Da kann es schwierig sein, weil die Leute hinter einem durchaus versuchen, das zum Durchbrechen zu nutzen. Nun muss die Polizei mich zwar durch lassen, aber eben nicht auf die Gefahr, dass der Kessel bricht. Entweder wartet man noch 1-2 Minuten, bis sich was ergibt, oder man wird zur Seite geleitet, wo es besser geht oder sonstwas. Muss man sich halt selber drum kümmern. Klar könnte man an der Stelle den Stream starten, heulen, dass die Polizei einen eingekesselt hat, Grundrechte mit Füßen tritt oder sonstwas – man kann es aber auch einfach realistisch sehen: Es war keine Absicht und sie haben gerade ganz andere Probleme. Immer weider schieben mich Polizisten auch zur Seite oder ziehen mich vorsichtig rückwärts weg. Auch da kommt es auf die Details an. Wenn ich den Wasserwerfer im ganzen Lärm nicht höre, und mich zieht jemand langsam an der Jacke nach hinten – so dass ich weiter nach vorne Filmen kann, ohne überfahren zu werden, dann habe ich da kein Problem mit. Ein Umtreten wäre so das andere Ende der Skala.

Präzisionsschützen auf dem Hoteldach

Beim nächtlichen Einsatz an der Hamburger „Schanze“ sah ich im TV deutsche und österreichische SEKs (Cobra) mit Sturmgewehren, Schrotflinten, usw. im Einsatz. Ein Reuters Kameramann rannte sofort hin und hat sie aus der Nähe gefilmt. Auch das ist meist kein Problem, kommt halt auf die Details an. gerade diese Leute müssen wahnsinnig auf Eigensicherung achten. Sie dürfen nicht riskieren, dass ihre Waffen gestohlen werden. Sie dürfen aber auch nicht wie im Wilden Westen um sich schießen. Je nach Projektil ist das Gegenüber entweder sehr wahrscheinlich tot oder sie könnten Personen dahinter treffen. Diese Arbeit ist nochmal eine Stufe schwieriger, als wenn man „nur“ Pfefferspray einsetzt. Wenn ich also z.B. ganz in schwarz mit einem Handy auf die zugerannt käme, wären sie vermutlich nervöser, als wenn jemand im „Presse“-Outfit mit einer großen Kamera kommt. Ich habe nur einmal die GSG 9 und einmal ein SEK getroffen. Da war ich viel nervöser, als sie. Ich habe auf Distanz gut sichtbar die Kamera gezeigt, einer von ihnen hat durch Zielfernrohr geguckt – alles ok. Das Zielfernrohr sollte man dabei nicht als Bedrohung sehen – es dient einfach als Fernrohr, weil es vergrößert. Auf der anderen Seite denke ich mir: Wer mit solchen Situationen nicht klar kommt, der sollte sich halt von solchen Einsätzen fern halten. Und das meine ich nicht böse  – es gibt einfach Leute denen bestimmte Aufgaben gefallen und anderen eben nicht.

Ist die Polizei also fehlerfrei und über alle Zweifel erhaben? Sicher nicht. Die Polizei in Deutschland umfasst rund 300.000 Personen. Rein stochastisch ist klar, dass es da die übliche Menge Idioten, Arschlöcher und Kriminelle gibt. So wie bei Journalisten und so wie auf Seiten der Demonstranten. So wurde ich z.B. beim Filmen in Berlin von einem Polizisten mit einer Taschenlampe geblendet um eine nächtliche Demo nicht filmen zu können. Was genau der Sinn war (es passierte gerade rein gar nichts) war mir unklar. Ich habe dann einfach die Kollegen rechts und links befragt, welchen Sinn dieser Einsatz gerade hat. So richtig konnten sie es auch nicht beantworten – hinderten ihn aber auch nicht daran. Und das ist der Punkt, der mich am meisten stört: Kollegen decken, die Mist machen. Aber in Summe sind das aus meiner Sicht totale Einzelfälle, während ich fast immer ordentlich behandelt wurde und auch mehr als einmal (ungefragt) von der Polizei am Rande von Demos eskortiert wurde, wenn ich aus der Menge bedroht wurde. In sofern bin ich mit dem System  zufrieden – es müssen aber alle Beteiligten ihre jeweiligen und wenigen Kriminellen outen und der Strafverfolgung zuführen.

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