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Raketenangriff auf Erbil

Einschlag der Rakete – Mercedes (links) chinesisches Konsulat (rechts)

In der kurdischen Hauptstadt Erbil war es bereits seit Stunden dunkel, als gegen 21:30 Uhr Ortszeit (19:30 Uhr in Deutschland) zweimal ein lautes Knallen zu hören war. So etwas hört man hier immer wieder: Geplatzter LKW-Reifen, kaputtes Moped, jemand hat ein Loch in die Zimmerdecke geschossen oder so. So belanglos, dass man nicht mal eine Bemerkung dazu fallen lässt. Kurz danach kamen die ersten Handyvideos an, welche Feuer und Qualm auf der US-Airbase am Flughafen Erbil zeigten. Nur fünf Minuten weiter. „Fahrt da nicht hin“, mahnte der Kellner im Café, „wartet noch 15 Minuten. Wenn bis dahin kein zweiter Angriff kam, kommt heute Nacht auch nichts mehr“. Er hat Erfahrung damit, denn er hat den Krieg gegen den IS und gegen Saddam gesehen.

Zerstörte Scheiben bei Mercedes

Wir beeilen uns, zu zahlen. Der Parkservice hat schon lange verstanden, was passiert ist. Ordentlich aufgereiht stehen die Autos all derer, die wie Journalisten aussehen, da – mit laufendem Motor und geöffneter Fahrertür. Nur fünf Minuten entfernt befindet sich die Zufahrt zum Erbil International Airport. In der Luft liegt ein Geruch von verbranntem Öl und Gummi, wie wenn ein Autowrack ausbrennt. Besagte Zufahrt ist von einer Spezialeinheit abgeriegelt, welche nur „WEITER!“ ruft und den Bereich so schnell wie möglich geräumt haben will. Beim Umfahren des weiträumig abgeriegelten Flughafengeländes werden wir regelmäßig mit Suchscheinwerfern verfolgt, erste amerikanische Kampfjets steigen über dem Auto auf, Hubschrauber der Amerikaner sind bereits in der Luft.

Loch in der Wand des Konsulats

„Auf der 40m Road ist eine Rakete in einen Häuserblock eingeschlagen oder so“ berichtet ein Mitarbeiter der Sicherheitskräfte. Vor Ort stehen Anwohner auf den Balkonen und rufen direkt runter „Bei Mercedes! Da lang!“ Und tatsächlich: Die Scheiben des Autohauses fehlen oder sind geplatzt. Im Bereich vor dem Gebäude liegen Scherben. Permanent kommen Soldaten an und riegeln das Gelände ab. Der Wachmann bittet die Journalisten das Autohaus zu verlassen. „Ist gegenüber eingeschlagen! Bei den Chinesen!“, sagt er und deutet auf die andere Straßenseite. Dort steht schon eine Traube lokaler Journalisten, daneben die Polizei, dahinter weitere Schaulustige. Die Polizei versucht die beiden Gruppen zu trennen. Wer kein Journalist ist, wird weggeschickt. Ein Pressesprecher erscheint und erklärt allen die Lage.

Hier in Erbil gab es lange keine Angriffe. Sehr lange. Die letzten großen Angriffe kamen noch von Saddam, die jüngere Generation kennt den Krieg nur aus dem Fernsehen oder von der vermeintlich weit entfernten IS-Front. Vergangenes Jahr wurde von vielen deutschen Quellen ein Einschlag auf der US-Airbase in Erbil gemeldet. Diesen gab es nie. Die Rakete kam in der benachbarten Provinz, knapp zwei Autostunden weiter, runter.

Nach und nach trudeln die Informationen ein: Die Raketen sollen aus dem Ort Bartella von der Hisbollah abgeschossen worden sein. Vorher hieß es auch Tuz Khurmatu, was wenig Sinn ergibt. Danach wurde Makhmour ins Spiel gebracht, da es dort IS und schiitische Hashd-al-Shabi-Milizen gibt.

Lokale Journalisten berichten, es seien nicht detonierte iranische Fadjr 107mm Raketen gefunden worden.

Enno Lenze vor Ort

Bis jetzt (01:00 Uhr Lokalzeit) sind die Kampfjets und Helikopter zu hören. Es heißt, ein Flüchtling aus der Anbar Provinz sei gestorben, sieben weitere Personen verletzt. Insgesamt sollen es drei bis acht Raketen gewesen sein.

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