News

Schäuble zieht positive Einheitsbilanz

Foto: Wolfgang Schäuble,

Berlin (dts) – Zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine eindeutig positive Bilanz gezogen. Ein Marsmännchen, das durch Deutschland liefe, würde nicht erkennen, dass das Land einmal geteilt war, sagte er der RTL/n-tv-Redaktion. „Das Marsmännchen würde nicht erkennen, dass Berlin durch eine Mauer geteilt war.“

Die Deutschen hätten vor allem an Jahrestagen eine Neigung, zu hinterfragen, was alles nicht gut gelungen sei. Dabei gehe es Deutschland, verglichen mit anderen Ländern, „ziemlich gut“, so der CDU-Politiker. „Wir haben jede Menge Probleme, die Welt ist kompliziert, aber alle beneiden uns“, sagte Schäuble, der 1990 den Einigungsvertrag aushandelte. Aus dem Ausland heiße es, die Deutschen seien bisher am besten durch die Pandemie gekommen, „ihr macht das besser als andere, ihr habt ein besseres Gesundheitswesen – ich weiß gar nicht, ob das stimmt, vielleicht haben wir auch einfach nur immer wieder Glück“. Er wisse, dass die Menschen sich „mit unseren etwas schwerfällig gewordenen demokratischen Institutionen“ nicht leicht täten, räumte der Ex-Finanzminister ein. Das meiste davon sei jedoch eher auf die Krise des westlichen Systems insgesamt zurückzuführen. Mit Blick auf Klimawandel, Globalisierung und Digitalisierung sagte er: „Das erschüttert uns im Grundsatz. Darauf müssen diese erfolgsverwöhnten Demokratien eine bessere Antwort finden.“ Kein Verständnis hat Schäuble für Westdeutsche, die von den Ostdeutschen Dankbarkeit erwarten und etwa ihr Wahlverhalten kritisieren. „Die Ostdeutschen haben den größeren Teil der Folgen unserer gemeinsamen Vergangenheit von Hitler, Zweitem Weltkrieg und Auschwitz getragen“, sagte er. „Und jetzt zu sagen: Seid aber mal endlich dankbar – ich hab dafür kein Verständnis, tut mir leid.“ Es sei 1990 richtig gewesen, die SED beziehungsweise die PDS an den ersten freien Wahlen teilnehmen zu lassen. Die Partei habe dann „schnell so getan, als sei sie schon immer demokratisch gewesen“ und habe „die Unzufriedenen“, als Wähler gewonnen, wobei Schäuble ausdrücklich Verständnis für Enttäuschung und Unzufriedenheit zeigte. Vom Wählerpotenzial der Linkspartei habe später die AfD „einen erheblichen Teil auf sich gezogen“. Es sei Aufgabe der demokratischen Parteien, überzeugende Arbeit zu leisten: „Dann wird das kleiner.“ Der Bundestagspräsident bestätigte, dass er Bundeskanzlerin Angela Merkel, die er ja nun auch schon fast 30 Jahre kennt, noch immer siezt. Auf die Frage, ob nach 30 Jahren Einheit nicht auch das Du möglich wäre, sagte er: „Natürlich. Aber ältere Menschen bleiben bei ihren Gewohnheiten.“ Er verwies auf seine Physiotherapeutin, die ihn „unglaublich gut und eng“ betreue, mit der er sich jedoch ebenfalls sieze. „Unser Verhältnis ist dadurch wahrscheinlich intensiver als mit vielen von den wenigen, mit denen ich mich duze.“ Mit Merkel habe er ein Verhältnis gegenseitigen Respekts. „Wir wissen, dass wir sehr unterschiedlich sind, aber wir wissen jeweils, was wir am anderen haben.“

Werbung