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Sicherheits-Alptraum Papstbesuch

Am kommenden Sonntag besucht Papst Franziskus den Irak und die Autonome Region Kurdistan im Norden des Landes. Die als sicher geltende kurdische Hauptstadt Erbil bereitet sich bereits jetzt umfangreich auf den Besuch vor. Dass die Messlatte für die Sicherheit der Stadt höher gehangen werden muss, merkt man überall: Auf dem Parkplatz der Restaurants und Malls wird nicht flüchtig in den Kofferraum geguckt, sondern jedes Gepäckstück genauer untersucht. Am Eingang von Hotels und Geschäften wird man sonst auf der Suche nach einem Pistolenholster gelangweilt an die Hüften gefasst. Dabei stellt die Pistole kein generelles Problem da, man muss sie nur an der Garderobe hinterlegen. Derzeit wird alles genau abgetastet und die Taschen müssen entleert werden.

Über der Stadt sind mehr Hubschrauber als üblich zu sehen. Rund um Erbil fliegen Tag und Nacht die Spionageflugzeuge der US-geführten Koalition. Auf den Straßen fahren mehr Polizeiwagen als sonst und auf der Autobahn üben die Fahrzeuge, welche einen Konvoi vor allen Funkwellen schützen sollen, das Kolonne fahren. Damit will man das Fernzünden von Bomben am Straßenrand verhindern. Auf der Stadtautobahn (120m-Road) hängen abwechselnd die Flagge des Vatikans, Kurdistans und die des Irak.

US-geführte Koalition

„In den Irak zu kommen ist, naja, gewagt. Und dann noch zur Corona-Zeit. Erbil ist ja sicher und hier sind die Leute Staatsbesuche gewöhnt. Baghdad… hmmm… da stehen immer noch Panzer in der Stadt und Frauen tragen Burka. Aber Mossul. Wer kam auf die Idee? Mossul. Echt jetzt?“ – kommentiert es ein Sicherheitsberater der Koalition. Er schwankt sichtbar zwischen Contenance wahren und Tobsuchtsanfall, während wir uns in der Hotellobby unterhalten. Besonders leise sprechen muss er dabei nicht, denn niemand hier sieht das anders.

Gerade wurden strategisch wichtige Soldaten der Koalition positiv auf Corona getestet und werden ihrem Dienst während des Papstbesuches nicht nachgehen können. „Mossul wird immer noch von der Hashd regiert. Die sind einfach unberechenbar“. Mit „Hashd“ sind die Hashd al Shabii Einheiten, also vom Iran gesteuerte, schiitische Milizen gemeint. Diese sind für etliche Angriffe auf Einrichtungen der Koalition in den vergangene Wochen verantwortlich, auch für den Raketenangriff auf Erbil.

„Oder der IS zerlegt den Journalisten-Konvoi auf dem Weg dahin. An sich braucht man nur ner Ziege ein Messer auf den Kopf kleben und es in die Richtung schicken und schon geht die Headline um die Welt. Es muss nicht mal etwas passieren.“ Fährt er fort.

Erbil, Kurdistan

Die Autonome Region Kurdistan wird von der kurdischen Armee, den Peschmerga verteidigt. Diese haben schon gegen Saddam Hussein gekämpft, gegen den Islamischen Staat und gegen die schiitischen Milizen. „Hier bei uns ist alles sicher. Wir kennen das ja. Und die Leute freuen sich auf den Papst. Geh’ mal nach Ankawa. Da ist was los!“. Ankawa ist der christliche Stadtteil Erbils. Hier stehen die verschiedenen christlichen Kirchen nebeneinander, während man im „good mood shop“ Alkohol von Tannenzäpfle Bier bis Finlandia Vodka kaufen kann.

„Die große Sorge ist die Messe im Stadion. Zehntausende Menschen. Wenn da nur einer ein Problem macht, gibt es eine Massenpanik und durch die gibt es dann Tote. Viele wollen Kurdistan schlecht machen und haben ein Interesse daran. Aber wir machen uns keine großen Sorgen. Alle Leute werden vorher genau geprüft, niemand kommt zu dicht an den Papst ran. Aber so sehr wir uns freuen, dass er herkommt, so sehr freuen wir uns auch, wenn er am Abend sicher unseren Luftraum verlassen hat“, erklären mir kurdische Sicherheitskräfte. Auch sie haben Sorge vor Angriffen durch schiitische Milizen oder den Islamischen Staat.

Mossul, Irak

Doch von einer der großen schiitischen Milizen, wird mir erklärt, dass sie gar kein Interesse an einer Eskalation haben. „Wir stehen doch für Stabilität und Sicherheit. Haben wir die Leute hier je im Stich gelassen? Wir haben gegen den IS gekämpft und sorgen dafür, dass sechs Millionen Irakis sicher leben. Und Mossul war noch nie sicherer, als unter uns!“. Letzteres ist eine eher gewagte These, wie ich vor einem Jahr selber feststellen durfte.

„Wenn der Papst herkommt, werden wir für seine Sicherheit Sorgen. Hier gibts keine Probleme, wie in Baghdad“. Das ganze als PR-Nummer für seine eigene Gruppe zu nutzen ist natürlich auch ein interessanter Ansatz. „Aber die Journalisten mit einem Buskonvoi herbringen, während der Papst im Helikopter fliegt? Ich denke, der wird von Gott selbst geschützt. Den Journalisten kann man schon mal Zielscheiben auf den Kopf malen, damit der IS sie ordentlich erwischt“, sagt er lachend.

Die Journalisten

Der Weg von Erbil nach Mossul ist bereits jetzt gut gesichert und wird regelmäßig überflogen und durch Patrouillen geprüft. Doch auch hier reicht ein einzelner Terrorist mit einer Kalaschnikow einen halben Kilometer weiter. Nicht, weil es so einfach ist, einen Konvoi mit einem Sturmgewehr zu treffen, sondern weil Terror einfach ist. Sollten ein paar Treffer die Scheiben eines Bussen durchschlagen und ein Journalist auch nur eine blutende Stirn von Glassplittern davon tragen, ist der PR-Stunt für den IS perfekt. Kaum ein Blatt würde titeln „Verrückter Einzeltäter landet Glückstreffer und verletzt nur eine Person leicht“. Eher würden alle Zeitschriften eine Sonderausgabe mit einem Titel in Richtung „Blutiger IS Anschlag auf den Papstbesuch“ herausgeben.

Alle Beteiligten sind sich einig, dass es ein Sicherheitsalbtraum wird. Verwunderlich ist aber, dass die US geführte Koalition, Peschmerga und schiitischen Milizen sich diesmal einig sind, von wo die größte Gefahr droht.

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