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Ukraine: Fast vier Jahre Krieg – Wie ist das?

Fast vier Jahre Krieg. Die Veränderungen seit Beginn der russischen Invasion, meine Eindrücke und Erfahrungen: informativ, schrecklich und unterhaltsam. Ein Geburtstag mit einer Zehnjährigen, die Bürgermeisterin einer Gemeinde auf dem Land, der deutsche Stammtisch und eine NGO, die sich um Veteranen kümmert.

Als ich Anfang Oktober 2025  in Odessa ankomme, ist Sintflut. Damit meine ich nicht, dass es stark regnet. Es ist wie in der Bibel. Es schüttet und hört einfach nicht auf. Das Wasser läuft nicht ab. Der Verkehr kommt zum Erliegen. Jedes Taxi und jeder Wagen von Bolt oder Uklon steht.

Als ich zur Wohnung gelaufen bin, bin ich bis auf die Haut nass geworden – und alles in meinem Rucksack auch. Mein Pass!!! Geht so, ich kriegen ihn ohne Flecken getrocknet und sehe, dass es mein zehnter Besuch während des Krieges in der Ukraine ist.

Es geht in diesem Beitrag über die Veränderungen seit dem Beginn des Krieges, über meine Eindrücke und Erfahrungen. Es wird informativ, schrecklich und unterhaltsam. Wie feiert man mit einer Zehnjährigen im Krieg Geburtstag? Wie kommt man von Berlin zur Bürgermeisterin Olena in eine kleine Gemeinde, die hundert Kilometer nördlich des Schwarzen Meeres liegt? Und die zentrale Frage: Was macht eigentlich der deutsche Stammtisch in Odessa? Oder allgemein: Fast vier Jahre Krieg – wie ist das?

Was hat sich seit Kriegsbeginn geändert?

Als ich im Sommer 2022, also im ersten Kriegsjahr, auf dem Gelände des Sicherheitsministeriums in Kyiv gewohnt habe, standen junge Amerikaner um die dreißig Jahre alt auf dem Hof mit gleichaltrigen Ukrainern zusammen und beratschlagten sich. Es schien mir, als seien sie auf Augenhöhe. Jetzt, im Oktober 2025, habe ich keine Amerikaner mehr gesehen, auch keine Briten, die damals nicht nur in Kyiv waren. Ich vermute, dass die Kommunikation inzwischen mehr elektronisch läuft. Ich bin sicher, dass sie läuft. Es war damals klar, dass der Krieg noch etwas dauern würde. Doch die ersten erfolgreichen Schlachten der Ukrainer verbreiteten Zuversicht. Die russischen Elitetruppen waren bei den Kämpfen um Kyiv, Cherson und Charkiw vernichtend geschlagen worden.

In unseren Medien wird immer wieder kolportiert, dass nun Kriegsmüdigkeit herrscht. Das lässt sich nicht wirklich abstreiten. Wenn man jedoch die Frage stellt: „Wie viel würdest du an die Russen abgeben?”, lautet die eindeutige Antwort: „Nichts, die Russen sollen sich verpissen!”

Ich schätze, Selenskyj wird nicht gegen den Willen des Volkes handeln können. Wenn die Kriegsmüdigkeit vorherrschend wäre, wären die Russen schneller oder leichter vorangekommen. Aus militärischer Sicht ist es für die angeblich zweitstärkste Militärmacht der Welt eine erbärmliche Kriegführung. Ja, viele Ukrainer schimpfen auf die Regierung. Wenn ich jedoch auf die Bürgermeisterin von Berlin-Mitte oder gar das Bezirksamt schimpfe, bedeutet das nicht, dass ich gegen unsere Demokratie bin. Ich schimpfe, weil ich das in einer Demokratie darf und kann – so ist es auch in der Ukraine. Noch ist dort niemand aus Versehen aus dem Fenster eines Hotels gefallen und tot aufgefunden worden – so wie in Russland. Was hat sich verändert? Ich gehe darauf aus vielen Aspekten ein, bin mir aber sicher, dass der Krieg erst aufhört, wenn Putin tot ist. Wie bei Hitler. Kann man davon sprechen, dass sich die Menschen an den Krieg gewöhnen? Nein. Aber sie arrangieren sich mit der Lage.

Die Zerstörungen: Mykolajiv

Eigentlich wollte ich mir in Mykolajiw nur diese Brücke ansehen. Der Hintergrund: militärischer Ungehorsam. Der ukrainische Kommandant von Mykolajiw hatte sieben- oder achtmal die Anweisung erhalten, die Brücke zu sprengen. So sollten die Russen beim weiteren Vormarsch nicht einfach bis Odessa vorstoßen können. Er weigerte sich. Er hat die Brücke einfach nicht gesprengt. „Dann haben wir keine Rückzugsmöglichkeit für unsere Soldaten. “

Eigentlich wollte ich in Mykolajiew nur diese Brücke sehen, die der ukrainische Kommandant trotz mehrfacher Anweisung nicht zerstört hat.

Das ist die gegenteilige Einstellung zu der russischer Kommandanten, für die Menschen an der Front und die hundert Toten jeden Tag keine Rolle spielen. Grausamer kann es kaum sein. Fleischwolf-Taktik. Soldaten werden auf freiem Feld in Angriffe geschickt.

Diese Brücke führt von Mykolajiev Richtung Odessa. Die Russen, aus Richtung Krim kommend, müssten sie überqueren.

Mykolajiw ist heute keine Frontstadt, aber eine immer leerer werdende Stadt. Sie liegt so, dass die Russen sie gut erreichen können und ständig bombardieren. Noch viel stärker wird allerdings das östlich vor der Krim gelegene Cherson bombardiert. Das ist der Ort, an dem Bunkerchef Enno Lenze zweimal vor russischen Drohnen fliehen musste.

Ich habe dieses Video in der Stadt Mykolajiv in der Nähe des Flusses Bug aufgenommen. An diesem Ort ist alles zusammen: Der von einem Marschflugkörper getroffene und zerstörte Wohnblock. Das Mahnmal für die vielen gefallenen Soldaten der Stadt, die durch den Überfall der Russen ihr Leben verloren haben. Ein Denkmal aus sowjetischer Zeit, das an die Befreiung von den deutschen Nationalsozialisten erinnert. Und unmittelbar daneben stehen die russischen Panzer, die 2022 von den Ukrainern in Mykolajiv abgeschossen wurden.

Wenige Schritte weiter Richtung Fluss stehen diese Sportgeräte zur allgemeinen Ertüchtigung.

Die Zerstörung: Odessa

In vorherigen Berichten habe ich bereits ausführlich über die Zerstörung Odessas berichtet. Vor einiger Zeit wurde nun auch der größte Markt der Stadt bombardiert. Die Russen zerstören, die Ukrainer machen weiter. Resilienz ist das passende Wort dazu.

Das ist die Ideologie der Russen: Zerstörung, Raketen auf einen Markt, auf dem Bauern ihre Produkte verkaufen.

Und so halten es die Ukrainer

An der Front

Was hat sich verändert? Der Krieg besteht aus der Bombardierung der Ukraine mit Putins Drohnen und Raketen. Getroffen wird die Zivilbevölkerung und jetzt erneut die Infrastruktur, beispielsweise die Stromerzeugung und -verteilung sowie ein zentrales Medikamentenlager. Und der Krieg an der Front. Darüber kann ich nicht aus eigenem Augenschein berichten. Vor wenigen Tagen habe ich den härtsten Kriegsfilm gesehen:

Wie dieser Krieg an der Front verläuft, zeigt der Film „2000 Meter bis Andrijivika”. Dessen zentrale Teile wurden mit Helmkameras der Frontsoldaten der 3. ukrainischen Sturmbrigade aufgenommen. Bei der ukrainischen Gegenoffensive 2023 geht es um die Rückeroberung des winzigen Dorfes, um das die Russen drei Monate lang gekämpft und dabei extreme Verluste erlitten haben. Im Film sieht man Ukrainer auf dem Schlachtfeld sterben. Nicht gespielt, nicht mit Theaterblut, echt. Sie liegen da und sind tot. Es ist die härteste und realistischste Dokumentation, die ich kenne. Der Film läuft noch nicht in den Kinos, aber hier ist der Trailer. Darüber kann man nicht sprechen, das verstehe ich jetzt. Dafür gibt es keine Worte. Das Wort „Schlachtfeld” ist hier wörtlich zu nehmen.

Dass die Männer nicht vom Krieg reden können, ist wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich habe das früher nicht verstanden. Jetzt schon. Ich selbst gehe nicht in die Nähe der Front. Dadurch würde ich andere gefährden, die dann auf mich aufpassen müssten. In zwanzig Kilometer Entfernung hört man die Artillerie noch, wird aber nicht beschossen, und die Drohnen kommen auch nicht so weit. Enno Lenze wurde zweimal von Drohnen angegriffen und musste wegrennen. Ich würde nicht einmal das hohe Surren der kleinen FPV-Drohnen hören.

Ich war nicht in Andrijivka, aber 2025  in anderen Orten, die 2023 von den Ukrainern zurückerobert wurden.

So stelle ich mir Flandern im Ersten Weltkrieg vor: Alles ist platt, kein Haus steht mehr. Das war im Mai 2025.

Ich gewann den Eindruck, dass die Natur uns Menschen nicht braucht. Rund um die zerstörten Häuser grünen die Bäume und in den verlassenen Gärten erblühen die Blumen. Ganze Dörfer stehen leer. Sie liegen zu dicht an der Front, als dass die Bewohner zurückkommen wollten.

Warum ich in die Ukraine fahre? Um genau das mit eignen Augen zu sehen.

Noch eindrucksvoller wird die Zerstörung in den Aufnahmen einer Drohne sichtbar, die wir vom Berlin Story Bunker aus in die Ukraine geschickt haben. Die Drohne wurde abgeschossen und später an uns zurückgegeben. Das letzte Video war noch im Speicher. Wir sehen, wie ein ukrainischer Panzer durch ein gespenstisch leeres und zerstörtes Dorf fährt.

Und dagegen die Städte: Alles sieht normal aus. Die Städte funktionieren scheinbar wie im Frieden. Selbst wenn der Strom ausfällt, springen die Generatoren vor den Geschäften an. Meist haben die extrem guten und schnellen Mitarbeiter der Elektrizitätswerke irgendwie bald wieder für Strom gesorgt – zumindest für einige Stunden. Allerdings dauert es länger und wird schwieriger, da die Bombardierung der Infrastruktur momentan erheblich zunimmt. Das ist die Oberfläche. Putin-Propagandisten, dieses Gesindel, zeigen solche Bilder mit dem Kommentar, den Ukrainern gehe es bestens.

McDonald’s ist geöffnet, die georgischen Restaurants auch. Es bedienen Studenten oder andere junge Leute. Es gibt Wein und Bier aus aller Welt. Die Getränkeflaschen haben Kappen, die nicht abfallen, wie in der EU. Außerdem gibt es Elektroroller, Angeber mit lauten Autos, Straßenmusiker und kichernde junge Mädchen. Den Krieg kann man nicht ahnen. Wenn man jedoch fragt, wer aus der Familie an der Front ist, wann die Schulklasse zuletzt im Schutzraum war und wie oft es in der vergangenen Nacht Luftalarm gab, stellt sich eine ganz andere Situation ein. Dann ist der Spaß vorbei.

So war es auch bei einer der jungen Frauen, die ich ansprach, nachdem sie mit ihrer K-Pop-Gruppe vor dem Operngebäude in Odessa ein Video aufgenommen hatten. Ihr älterer Bruder war freiwillig in der Armee. Sie telefonierte täglich mit ihm, also per Videotelefonie. „Er muss wissen, dass ich immer für ihn da bin.”

Für Journalisten ist es eine Herausforderung, diese beiden Pole so darzustellen, dass sich Menschen aus friedlichen Ländern das vorstellen können. An der Front ist es wie im Ersten Weltkrieg. Putin führt einen anarchischen Krieg in Schützengräben und Erdlöchern. Hinzu kommt die Menschenjagd mit Drohnen. Die Städte sehen jedoch nicht wie Berlin im Jahr 1945 aus, also völlig zerbombt. Es gibt keine Bombenteppiche. Aber in jeder Stadt sieht man zerbombte Häuser, sehr häufig Wohnblöcke, die von hoch fliegenden Raketen oder Marschflugkörpern wie von einem Sturzkampfbomber angegriffen werden. Diese Angriffe sind kaum abzufangen.

Beerdigungen

Die Trauer über die vielen Menschenleben, die verloren gingen, ist unendlich. Das Video zeigt, wie ein Beerdigungskonvoi zum Unabhängigkeitsplatz in Kyiv kommt. Dort findet gerade eine Gedenkveranstaltung für die Toten statt. Alle knien nieder. Wir sehen Fotos der Gefallenen und Flaggen der Regimenter.

Schließlich konnte ich der Bestattung eines Soldaten aus dem Asow-Regiment beiwohnen. Seine Kameraden verpflichten sich: HOLY, MIGHTY, UNITED! Wir sehen die gebrochene alte Mutter des Soldaten am Sarg. Die Fackeln sollen dem gefallenen Kameraden das Licht ins ewige Leben leuchten.

Nie zuvor habe ich so viele Hassmails und Beschimpfungen erhalten wie für dieses kurze Video. Nachdem ich es auf Social Media gepostet hatte, machten sich hunderte russische Bots darüber her und beschimpften die Soldaten, die Ukrainer im Allgemeinen und mich als Nazis. Ich kam mit Löschen kaum nach. Wenn man die Situation an der Front kennt, wie sie im Video über Andrijivika gezeigt wird, versteht man die Reaktion der Kameraden nicht nur, sondern kann sich darüber freuen: Sie ehren den gefallenen Helden und geben ihm das ewige Geleit.

Die Bombennacht

Zurück nach Odessa im Oktober 2025:

Am Nachmittag habe ich meinen Freunden noch ein Video vom Strand am Schwarzen Meer geschickt und mich über all die Hasenfüße lustig gemacht, die es in der Ukraine für zu gefährlich halten.

Dann kam die Bombennacht. Erst habe ich meine Brille erledigt, dann die Ersatzbrille zerdeppert. Sonst schlafe ich eigentlich gut – und wenn es rummst, drehe ich mich um. In diesem Schaubild ist die Anzahl der Drohnen und Raketen dieser Nacht zu sehen. Die Grafik wird immer am nächsten Vormittag auf einem Telegram-Kanal veröffentlicht. Es wurden 496 Drohnen, zwei Hyperschallraketen und 51 Marschflugkörper auf die Ukraine abgefeuert.

Ich muss bei einem Raketeneinschlag in der Nähe so erschrocken sein, dass ich die neben mir liegende Brille runter warf und ein Glas raus fiel. Bei einem nächsten Schlag erledigte ich die Ersatzbrille in der Mitte – gebrochen. Die erste Brille konnte ich morgens reparieren.

Dies ist eine Karte , wo sich die Drohnen in der Nähe von Odessa bewegen. Wir sehen einen kleinen Teil der Ukraine.

Auf Berlin Story News habe ich einen genauen Beitrag darüber geschrieben, dass einer der heftigsten Angriffe der Russen auf die Ukraine stattgefunden hat und wie ich diese Nacht in Odessa erlebt habe. Vor allem erkennt man, wie die Angriffe auf den Apps angekündigt werden. Wie kann man sich schützen? Wie werden die Menschen gewarnt? Die Chronologie der Nacht in Odessa. Und was Präsident Selenskyj am Morgen sagte.

Wie kommt man in die Ukraine

Wie kommt man eigentlich nach Odessa oder Kyiv? Neulich hat mich eine Journalistin zur Ukraine interviewt. Ich habe sie gefragt: „Wissen Sie, wie man da hinkommt?” „Das werden Sie mir sagen.“ – „Nee, ich habe Sie ja gefragt!“ Mein Gedanke dabei war: Wenn die Dame zur Ukraine arbeitet, hat sie zumindest eine grundlegende Vorstellung? Es kam nichts. Leere. Da Enno Lenze und ich diese Frage immer wieder gestellt bekommen, ist hier die Antwort.

Vom Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) in Berlin aus fahren täglich mehrere Dutzend Busse in die Ukraine. Die Fahrt nach Kyiv kostet 60 Euro, nach Odessa 100 Euro. Die meisten dieser Busse kommen aus verschiedenen deutschen Städten. Die Tickets können online gebucht werden. Der Bus hält etwa alle zwei Stunden, wie es bei allen Busverbindungen üblich ist. Alternativ kann man auch mit dem Zug fahren. Bei der ukrainischen Bahn ist eine Buchung 20 Tage im Voraus möglich. Gut zu buchen von Berlin bis in die Ukraine ist auch über das Portal der polnischen Polrail. Die Bahn kostet etwa so viel wie der Bus. Mit der Bahn geht es mit Umsteigen in Warschau oder, meiner Meinung nach von Berlin aus besser, über Przemyśl im Süden Polens an der Grenze zur Ukraine. Auf einem Bahnsteig kommt man mit unserer Spurweite an und fährt auf dem nächsten mit ukrainischer Spurweite weiter. Allerdings liegen Zoll und Passkontrolle dazwischen. Mit dem Bus und vor allem der Bahn geht es an der Grenze viel schneller als mit dem PKW. Da kann man Stunden warten. Berlin Kyiv schafft man mit dem Auto in zwei Tagen.

Eine weitere Möglichkeit ist, bis Chișinău in Moldawien zu fliegen (60 Euro) und von dort aus für 20 Euro direkt mit dem Bus ans Schwarze Meer weiterzufahren. Das ist der beste Weg nach Odessa.

Und die Papiere? Man braucht einen Reisepass. Und muss man einen Haufen Euro oder Dollar mitnehmen? Nicht, wenn man eine Visa- oder Mastercard hat.

Ist es sinnvoll, ein Zelt zum Übernachten mitzunehmen? Das kann man sicherlich machen, ich habe allerdings keinen Campingplatz gesehen. Es ist aber einfacher, ein Hotel über Booking.com zu buchen oder noch besser ein Apartment über AirBnB. Ich ziehe kleine Apartments vor, da Hotels gerne bombardiert werden. Vier oder fünf, in denen Enno Lenze war, stehen nicht mehr. Bei mir sind es nur zwei oder drei. Was sollte man zum Essen einpacken? Diese Frage spricht für mangelndes Vertrauen in die kapitalistische Weltordnung. Die Supermärkte sind so groß und voll wie unsere – bis kurz vor der Front. Was macht man auf einer Fahrt von 24 Stunden? Entweder ins Koma fallen oder ein Hörbuch mitnehmen.

Wenn tapfere Krieger der Bundeswehr den Berlin Story Bunker besuchen, frage ich sie gerne: „Warum seid ihr hier und nicht in der Ukraine? Warum seht ihr euch nicht live an, wie Krieg ist? Wenn es euer Job ist, Europa zu verteidigen, warum lernt ihr dann nicht dort, wo es am effektivsten ist?” Sie finden mich blöd, wenn ich solche Fragen stelle. Die Antworten sind ausweichend. Eine Standardantwort ist: „Wir dürfen nicht.“ Das stimmt so nicht. Es bedarf zwar einer Genehmigung, aber es wäre möglich. Entweder interessiert es sie nicht so sehr oder sie haben einfach Schiss.

Die Oper von Odessa

Die Oper und die Ballettvorstellung beginnen um 16 Uhr. Dann kann man zu Hause sein, wenn die Drohnen und Raketen kommen. Wenn Ryanair wieder nach Odessa fliegt, sollte man sich die Lebensfreude nicht entgehen lassen und die Oper besuchen. Es gibt Ensemble-Höchstleistungen ohne Starkult und ohne Regisseure mit abwegigen Fantasien. Das Stück steht im Mittelpunkt.

Diesmal war ich mit Sofia da. Mit ihr hatte ich das erste von 31 Interviews gemacht, die im Buch „Slava Ukraine” abgedruckt sind und die man hier auf der Videoseite der Berlin Story News sehen kann. Sofia sagt darin: „Als ich nach acht Monaten aus Deutschland in die Ukraine zurückkam, war es für mich am schwersten, mich wieder an die Sirenen zu gewöhnen. Für meinen Vater und andere Menschen war das schon Alltag geworden.“

Mit Sofia spreche ich über die aktuelle Lage und dass es in Deutschland heißt, dass so viele abhauen, also nicht zur Armee gehen wollen. Sie sagt: „Es gibt immer noch und immer wieder Freiwillige, die an die Front gehen. Der Direktor meiner Schule hier in Odessa, in der Deutsch gelernt wird, leitet eine Drohnenneinheit. Er ist beurlaubt, hat umgeschult und seine Einheit wird von uns Schülern mit Drohnen und Kuchen versorgt.“ Früher lernten 1200 Kinder deutsch, jetzt sind es 600. Viele sind in Deutschland.

Ich erinnere mich an eine Vorstellung, bei der zehn Minuten vor dem Ende des zweiten Akts plötzlich der Eiserne Vorhang herunterging.

Im ersten Moment schoss mir durch den Kopf: „Ist der Inspizient an den Hebel gekommen? Der ist doch gesichert!” Als das Licht im Zuschauerraum anging, die Besucher aufstanden und hinausgingen und eine Durchsage kam, wurde mir klar: Luftalarm.

Die Besucher können entweder draußen in einen Park oder in den Schutzraum gehen. Kaum dort angekommen, ging auch noch das Licht aus.

Aber im Dunkeln und ganz unerwartet fingen auf einmal Sängerinnen und Sänger an, patriotische Lieder zu singen – mehrstimmig. Und dann ging das Licht wieder an.

Diesmal haben wir ein Ballett gesehen, Don Quixote, sehr lustig, frisch, elegant, von sagenhafter Leichtigkeit. Ein Traum.

Wie bei meinem ersten und bei jedem Besuch in Odessa treffe ich draußen Soldaten, stelle mich vor und berichte von dem Buch des ukrainischen Generalstabs über die Schlacht um Kyiv, das wir auf Deutsch und Englisch herausbringen. Soldaten als Besucher im Ballett, das widerspricht den Aussagen, dass die Kräfte an der Front nicht ausgetauscht würden oder etwas Urlaub hätten. Immmer wieder habe ich Soldaten(-Gruppen) bei Kulturveranstaltungen gesehen. Bei meinem Besuch vor Bachmut war es ja auch so, dass Frauen in das 20 Kilometer entfernte Kostjantyniwka kamen, um ihre Männer zu besuchen. Die bekamen dafür frei.

Kindergeburtstag

„Ich würde gerne Odessa mit den Augen von Katharina sehen, bevor sie zehn Jahre alt wird.“ – „Da lernst du Klamottenläden und McDonald’s kennen.“ Kopfkratzen. Ja, meine Vorstellung war anders, aber ich weiß auch nicht, wie genau. Ich denke daran, wie neulich im Haus gegenüber im dritten Stockwerk eine Drohne ins Haus geknallt ist. Katharina wohnt im vierten Stock. Statt der sonst üblichen Katzenvideos von TikTok hat sie mir ein Video davon geschickt, wie die Drohne in der Wand steckt. Was macht man da? Ihre Mutter sagt: „Wir gehen in die Küche auf der anderen Seite der Wohnung und ich mache American Pancakes mit Ahornsirup.”

Bevor sich die Familie auf das Buffet stürzt

Ich weiß nicht, welche Wünsche zehnjährige Mädchen in Deutschland heute haben. Ähnlich, vermute ich. Ein Tablet. Ein bestimmtes Shampoo für die Haare. Klamotten einer Marke, von der ich noch nie gehört habe. Und eine LED-Taschenlampe, die Sterne macht. Ist eine Geburtstagsfeier mit der ganzen Verwandtschaft nervig? Nicht, wenn genug Geschenke kommen. Katharina hat ihrem Geburtstag seit Wochen entgegengefiebert und ihre Mutter immer wieder daran erinnert, damit sie ihn nicht vergisst.

Die beiden Cousinen, die Anfang 20 sind, sprechen ganz gut Englisch. „Warum seid ihr hier, während eure beiden Geschwister nach Europa gegangen sind?” – „Wir sind eben anders. Warum sollen wir hier weg? Das ist unsere Heimat. Hier gehören wir hin.“ Das Gespräch lässt sich nicht vertiefen. Wie auch? Eine rationale Begründung dafür gibt es nicht. Wenn man der Diskussion in Deutschland folgt, besonders in den unsäglichen öffentlich-rechtlichen Talkshows, kann man den Eindruck gewinnen, die Hälfte der Ukrainer sei hier. Es sind aber maximal zehn Prozent, die die Ukraine verlassen haben. Das heißt, 90 Prozent sind geblieben oder zurückgekommen. Dennoch sind keine Wohnungen frei, da Menschen aus den Kriegsgebieten im Donbas als Binnenflüchtlinge in Odessa und anderen Städten leben.

Die Tante bläst goldene „Happy Birthday”-Luftballons auf. Ich will wissen, wie es mit den Beziehungen der Ehefrauen zu den Kriegern ist. Was bedeutet es, wenn der Mann vom Töten der Russen im Urlaub nach Hause kommt und wieder mit ihr im Bett liegt? Das ist außerhalb meines Vorstellungsvermögens. „Bei meiner Freundin Jewgenia war das so: Er kam nach Hause, musste wegen einer Verletzung nicht wieder an die Front, konnte aber auch nicht darüber sprechen. Nach sechs Monaten hat er sich erschossen. Sie ist keine Kriegerwitwe und kriegt deswegen keine entsprechende Rente.“

Ich habe meine Powerbank vergessen, benötige Strom und Katharina weiß sofort, welches Kabel ich brauche. Nebenan laden wir auf und können endlich ungestört Katzenvideos gucken.

Bürgermeisterin auf dem Land

Olena ist Bürgermeisterin einer Gemeinde mit 6.000 Einwohnern, die in Streusiedlungen und Einzelgehöften leben. Ich habe sie im Laufe der Zeit mehrmals besucht. Sie hat als Buchhalterin angefangen und ist jetzt – immer wieder gewählt – seit etwa zwei Jahrzehnten die Sekretärin der Gemeinde, so heißt das korrekt. Ich berichte gleich, was sie tut und was sie bewegt. Am meisten hat mich jedoch beeindruckt, als sie mir ihren riesigen, aus mehreren Teilen bestehenden Aktenschrank zeigte. Darin sind die Unterlagen seit 1917, seit der russischen Revolution, aufbewahrt. Was für ein Schatz für Historiker! Für Menschen, die Geschichte von unten erforschen wollen. Damals waren die deutschen Siedler noch da. Viele Menschen leben jetzt in deren Häusern. Sie waren Teil der Gesellschaft. Würde man sagen, sie seien „voll integriert” gewesen, wäre das falsch. Es gab vorher nicht viel, also nicht viel Landwirtschaft und Gartenbau. Stalin hat sie vertrieben, weil sie Deutsche waren, so wie er Tschetschenen, Inguschen, Krimtataren oder die Wolgadeutschen vertrieben hat. Das hieß „Entkulakisierung”. Diese Zeit ist den Bewohnern durchaus im Gedächtnis geblieben.

Zur Verwaltung gehören etwa dreißig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wie war das nach der russischen Invasion auf der Krim im Jahr 2014 und wie war es bei der vollständigen Invasion im Jahr 2022?” – „Wir haben uns von neun Leuten verabschiedet. Ich muss unbedingt ukrainische Loyalität haben. Die Region ist wie andere auch durch mehr und mehr Russen besiedelt worden, denen es in de Ukraine deutlich besser ging als in den benachbarten russischen Regionen.“ Im Süden und an der Ostgrenze der Ukraine wird Russisch gesprochen, das ist so, wie die Österreicher Deutsch sprechen, sich aber keinesfalls als Deutsche empfinden. Auch die Schulbücher sind russisch. Na ja, inzwischen werden sie allmählich durch ukrainische ersetzt, aber nicht durchgehend. Wir haben viele im Ukraine Museum im Bunker ausgestellt. Seltsam: Ukrainisch galt als altmodisch. Auf dem Dorf wurde eher Ukrainisch gesprochen, während die modernen Menschen in der Stadt Russisch sprachen. Und noch etwas: Eigentlich sprechen die meisten Surschyk, eine Mischsprache aus ukrainischen und russischen Elementen. Da versagt Google Translate.

Es sind weit auseinandergezogene Straßendörfer mit Feldern dazwischen. Alles ist hervorragend gepflegt. Die Häuser, die Vorgärten und das Vieh. Ich vermute, dass Teile der ländlichen Bevölkerung im Bruttoinlandsprodukt gar nicht auftauchen, weil sie quasi Subsistenzwirtschaft betreiben, also sich mehr oder weniger vom Garten und dem Feld ernähren. Der Anteil der Stadtbevölkerung in der Ukraine beträgt 70 % und ist damit etwas geringer als in Deutschland mit 78 %. Diese reichhaltige Gartenlandschaft auf fruchtbarstem schwarzen Boden führt dazu, dass es in Odessa auf den Märkten jeden Tag frisches Obst und Gemüse, Fisch, Fleisch, Honig und extra für mich Granatapfelsaft gibt.

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt in der Ukraine bei etwas mehr als 5000 Euro pro Jahr, in Deutschland hingegen bei 50.000 Euro. Olena sagt: „Ich kriege kaum Lehrerinnen. Sie verdienen wie Hebammen, Krankenpflegerinnen oder auch junge Ärztinnen 200 Dollar im Monat. Im Supermarkt an der Kasse verdient man mehr. Die müssen alle nebenbei arbeiten, um überleben zu können. Diese geringen Gehälter fördern tendenziell eine positive Einstellung zur Korruption, auch wenn fast alle jungen Leute das nicht wollen. Sie verachten Korruption, aber sie müssen überleben. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, sondern eher normal, dass man der Ärztin extra etwas zahlt. Aber niemand gibt Grundschullehrerinnen etwas.“

Olena ist Notarin, wenn es um Heiraten oder Sterben geht. Sie ist Friedensrichterin, wenn etwas zwischen Nachbarn nicht klappt. Und sie ist Kämpferin, wenn es um die Auseinandersetzung mit der Oblast geht. Dabei geht es um Geld und um Rechte der Gemeinden, um die Selbstverwaltung. Das ist jetzt im Krieg besonders schwer, aber für mich ist es ein deutliches Zeichen für einen demokratischen Staat. Hat sie dabei eine schwache oder eine starke Position? „Ach, wir haben als Gemeinde ziemlich große Grundstücke.” Die Pacht ist im letzten Jahr wieder gestiegen. Insofern geht es uns gut und wir haben eine starke Position, wir müssen nicht betteln gehen.“

Es gab nur wenige russische Angriffe auf dem Land. „Was soll man bei uns schon kaputtbomben?“

Daher waren zu Beginn des Krieges viele Kinder zu ihren Großeltern oder Verwandten aufs Land evakuiert worden. Das ist rückläufig. Dann fällt ihr ein: „Doch, die Umspannstation ist bombardiert worden. Dafür braucht man nur eine Shahed-Drohne, um 30.000 Menschen vom Strom abzuschneiden. Es ist unmöglich, diese ländliche Infrastruktur zu schützen. Kein Strom bedeutet in dieser hügeligen Landschaft vor allem, kein Wasser – und was in der Tiefkühltruhe war, ist dahin. Das ist furchtbar.“

Meine letzte Frage betrifft den Beitritt zur EU. Olena nimmt kein Blatt vor den Mund: „Nur nicht! Unsere Bürokratie hier reicht mir. Die bremst alles aus. Wir leben ja nicht hinter dem Mond und kriegen mit, wie überreguliert alles in Europa ist. Wenn das zu unserer Bürokratie dazukommt, läuft gar nichts mehr.“

Einen Bürgermeister mit solch umfassenden Kompetenzen und dieser Autorität kennt man nur noch aus alten Filmen oder Romanen.

Alles ist gut – nur das Essen! Olena tischt auf, als käme eine Kompanie zu Besuch. Auf der Rückfahrt schlafe ich fast am Steuer ein.

Sintflut und Getreidehafen

Zwei Tage später sind die Folgen der Flut weitgehend abgeklungen. In den Straßen, die unter Wasser standen, laufen Generatoren, um die Keller auszupumpen. Generatoren sind überall vorhanden – für den Fall eines Stromausfalls.

Kolonnen von Sattelschlepperzügen kommen die Straße entlang. Sie sind auf dem Weg zum Getreidehafen, denn es ist bereits alles abgeerntet. Aus den Silos in der Nähe der Felder wird das Getreide zu den Schiffen transportiert.

Ich sehe die riesigen Silos, darf aber nicht auf das Hafengelände. Von einer anderen Stelle Odessas aus kann man beobachten, wie viele der Getreideschiffe den Hafen verlassen. Normal? Keineswegs. Die Russen hatten die Schiffsrouten im Schwarzen Meer für den ukrainischen Export geschlossen. Davon hat man lange nichts gehört. Es gibt nämlich keine russische Flotte mehr im Schwarzen Meer. Die Ukrainer haben sie zu U-Booten gemacht, hauptsächlich mit See-Drohnen versenkt. Der Rest wurde von den Russen abgezogen. Ein weiterer strategisch wichtiger Sieg der Ukrainer.

Die Überschwemmung, das war keine Naturkatastrophe, sagen viele Ukrainerinnen. Der Regen schon. Dass aber die Pumpen im Abwasserkanal nicht funktionierten, das liegt an der korrupten Stadtverwaltung. Ich kann das ja gar nicht beurteilen.

Fakt ist, dass der Bürgermeister von Odessa, Gennadi Truchanow, bald darauf von Präsident Selenskyj abgesetzt wurde und stattdessen eine Militärverwaltung eingesetzt wurde. Truchanow soll einen russischen Pass gehbat haben. Die Meinungen der Bevölkerung dazu sind gespalten. Auf der Telegram-Plattform Odessa-Info heißt es: „Patrioten versammeln sich heute bereits vor dem Rathaus zu einer Kundgebung gegen ihn (den Bürgermeister).” Innerhalb eines Tages hat eine Petition gegen ihn 25.000 Stimmen gesammelt. Bürgermeister Truchanow selbst betonte, dass er es für unmöglich hält, seine ukrainische Staatsbürgerschaft zu verlieren. Falls es jedoch passieren sollte, „wird er seinen guten Namen verteidigen“. Odessa im Machtkampf: Zwischen Korruptionsbeseitigung und demokratischer Resilienz.

Den Champagner knallen lassen – der ungeliebte Bürgermeister von Odessa wurde abgesetzt.

Die Absetzung des Bürgermeisters von Odessa durch ein Dekret Kyivs ist jedoch mehr als nur ein Personalwechsel. Sie sei, so meinen einige, ein Lackmustest für die ukrainische Demokratie unter Kriegsbedingungen – ein Signal von Entschlossenheit, das jedoch hohe Risiken birgt.

Seit ich in Odessa war, habe ich von Ukrainern und von dort lebenden Deutschen gehört, dass der Bürgermeister und seine Verwaltung korrupt seien. Inzwischen hat Selenskyj eine Militärverwaltung eingesetzt. In der Stadt knallten die Korken. Trotzdem ist das schwer von außen zu beurteilen. Auf die Regierung, einschließlich Selenskyj, wird allenthalben geschimpft. Was bedeutet das? Vor allem, dass offen ausgetragene Kontroversen möglich sind.

Der deutsche Stammtisch

Die Deutschen in Odessa könnten mir Klarheit verschaffen. Über Facebook bin ich vor langer Zeit auf den deutschen Stammtisch gestoßen, habe mich dort gemeldet und konnte bei meinen Besuchen immer wieder dabei sein. Knapp 600 Follower, das will schon was heißen! Die Leute, die sich dort treffen, leben schon lange in Odessa. Fünf, zehn, zwanzig Jahre. Die Letzten kamen während Corona, die Ersten zur Unabhängigkeit 1991.

Ukrainische Frauen waren nicht immer der Anziehungspunkt, aber oft. Ungewöhnlich ist jedoch, dass nicht die Frauen nach Deutschland kamen, sondern die Männer in Odessa landeten. Das spricht für die Stadt. Ich kann es verstehen. Einer von ihnen war erst als Austauschstudent in der Ukraine und kam dann vor 15 Jahren im Alter von 27 Jahren nach Odessa. Jetzt ist er verheiratet und hat zwei Kinder.

Auch hier ist es so, dass niemand dem Bürgermeister eine Träne nachweint. Und wie ist es heute mit Polizisten? „Sie verdienen mehr, jetzt etwa 500 Dollar, aber die erste Frage ist häufig immer noch: ‚Sind Sie ein großzügiger Mensch?‘“ In der Verwaltung soll es ähnlich sein. Den jungen Leuten, die ich kennengelernt habe, ist diese Korruption absolut zuwider – sowohl die im kleinen Stil als auch die im großen. Ihnen ist klar, dass jede Art von Korruption der Demokratie und der freien Entwicklung der Menschen entgegensteht. Und die, die ich in Berlin kenne, geben zu verstehen, wie sehr sie es schätzen, dass es in Deutschland anders ist.

Einige der Leute vom deutschen Stammtisch sind selbstständig: im Energiegewerbe, also mit Sonne, Wind und Pellets, im Transportsektor oder – momentan wenig günstig – als Stadtführer.

Keiner konnte sich vorstellen, dass Putin über die Ukraine herfällt.

Die Hilfsaktionen, die von den Teilnehmern des Stammtischs ausgehen, sind überwältigend.

Projekte einer NGO in Odessa

Eigentlich ist NGO nicht richtig, es ist ein Verein, in dem sich Ukrainerinnen und Ukrainer zusammengeschlossen haben, um etwas für ihr Land zu bewirken. Bei dem großen Projekt handelt es sich um ein Haus etwas außerhalb von Odessa. Es soll zu einer Reha-Einrichtung werden. Reha kann körperlich sein, es geht aber auch um mentale Gesundheit und – darüber sprechen sie ganz offen – um Entzug. Vor allem Aufputschmittel seien an der Front weit verbreitet. Der Spagat zwischen Front und Familie soll gelingen. Dafür braucht man Psychologen.

Das mit dem Haus ist nicht ganz einfach. Es gibt keinen Plan, keinen Aufriss. Sie müssen einen Bauplan erstellen, und das kostet 5.000 Dollar. Erst damit wäre es möglich, einen detaillierten Plan zu erstellen und klare Forderungen an die Verwaltung zu stellen. 5.000 Euro für Seifenblasen für Kinder haben wir im Bunker ziemlich schnell gesammelt. Glückliche Kindergesichter – das geht immer.

Wir werden uns bemühen, jemanden zu finden, der 5000 Euro für den Plan für ein Rehailitationszentrum für Veteranen sponsern kann.

Bei einem kleineren Projekt geht es um Kinder und Jugendliche, die über Social-Media-Kanäle von den Russen aufgefordert werden, von bestimmten Objekten Fotos zu machen und dafür Geld zu erhalten. Erstens: Das gibt es. Zweitens kann das auch bei uns passieren. Drittens: Das Aufklärungsprojekt an Schulen läuft bereits. Besonders interessant ist die Frage: Was kann ich tun, wenn ich so etwas gemacht habe, es aber nicht mehr will? Wie komme ich da raus?

Dieser kurze Cartoon „Leicht verdienstes Geld“ ist hervorragend gemacht. Er hält Jugendlichen vor Augen, was sie anrichten können. Am Anfang steht Langeweile, dann werden sie via Smartphone angesprochen und am Ende sind die Klassenkameraden auf dem Friedhof, weil die Schule bombardiert wurde.

Das Ukraine Museum im Berlin Story Bunker ist auf (Oktober 2025), aber noch nicht eröffnet.