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Video: Alexej Yukov über gefallene und vermisste

Alexej Yukov im Interview mit Wieland Giebel

Seit meinem 13. Lebensjahr beschäftige ich mich mit der Suche nach Gefallenen und Vermissten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Bislang habe ich mehr als 3.000 Soldaten der Roten Armee und 1.500 der Wehrmacht gefunden. Es war schockierend. Wir sammelten die weißen Knochen der Krieger, der Deutschen, der Sowjetischen. Wir sammelten die Seelen der Verstorbenen, damit sie begraben werden konnten. Als dieser Krieg 2014 losging, sah ich, dass er Menschen einfach so vernichten kann, ohne Grund. So wie im Krieg Adolf Hitlers Menschen aufgrund ihrer Nationalität vernichtet wurden, sollen wir heute vernichtet werden, weil wir eine andere Kultur und ein anderes Verständnis vom Leben haben. Du befindest dich in einem Albtraum. Die Russen hatten zwei Hubschrauber abgeschossen. Unsere Gruppe war die erste, die ankam. Überall lagen Fragmente von Menschen herum. Zuhause warteten der Bruder, der Vater, das Kind. Wir spürten den ganzen Schmerz. Alle wurden entmenschlicht, einfach vernichtet. Wir sind hundertprozentige Freiwillige. Wir teilen die Körper nicht in Russen oder Ukrainer ein. Wir bringen die Körper zurück. In einer anderen Welt wird jeder Täter zur Rechenschaft gezogen. Wie würdet ihr euer Kind sammeln? Genauso, um es zu bestatten.

Seit 2016 durften wir nicht mehr in das besetzte Gebiet einreisen. All die Seelen der Mädchen und Jungen, die dort gestorben sind, konnten bisher nicht zurückgebracht werden. Ich weiß nicht, wie ich diesen Schmerz vermitteln soll, wie sehr mir jede einzelne Seele wehtut. Und jetzt, seit der Krieg in voller Härte tobt, habe ich viele tote Kinder, Frauen und alte Menschen gesehen. Verbrannte Menschen. Keiner hat Hitler damals gestoppt. Wir müssen jetzt zeigen, welche Art von Menschen wir sind, um das zu stoppen. Ich verstehe nicht, warum die Menschheit so böse ist. Alles wird zerstört: das Leben, die Natur, das Wasser.

Man muss den Wert der Menschen verstehen. Seit der großangelegten Invasion hat unsere Suchmannschaft etwa 3.000 Menschen geborgen und sie aus dieser Hölle herausgeholt. Wir wurden beschossen, als wir Leichen evakuierten. Es gibt keine Regeln im Krieg. Sie werden von Menschen geschrieben, die sich nicht im Krieg befinden.

Am Anfang dachten wir, dass uns alle im Stich gelassen haben. Die Hilfe ist uns unendlich wichtig. Als sie merkten, dass wir nicht aufgeben, haben sie uns schließlich unterstützt. Es ist unsere Mission, die Seelen der Verstorbenen zu retten. Es gibt viele Völker, die nicht mit dem Krieg konfrontiert sind und denen somit das Wertvollste nicht genommen werden kann: das Leben. Die Zukunft.

Wir arbeiten im Team mit acht Personen, drei davon an der Front und fünf weiter hinten. Du ziehst den Körper heraus und achtest nicht darauf, dass dabei das ganze Blut herauskommt. Du möchtest die tote Person nach Hause zurückbringen, denn sie wird erwartet. Wir werden mit allem angegriffen: Drohnen, Minen. Wir holen auch die Leichen russischer Soldaten ab, damit sie nicht von Tieren zerfleischt werden.