Andriy Nerentin, 37 Jahre, 18 Minuten Video:
Ich habe es verdrängt, wahrscheinlich wie die meisten Ukrainer. Die Amerikaner haben uns gewarnt. Aber es ist doch völlig absurd, dass Kyiv im Jahr 2022 bombardiert werden könnte. Nach Istanbul und Warschau kam ich nach Kopenhagen. In einer politischen Kunstaktion habe ich mich als russischer Soldat mit einem großen Z auf dem Rücken verkleidet und 200 Blumentöpfe in der Innenstadt zertrümmert. So viele ukrainische Kinder waren damals getötet worden. In Berlin wollte ich dann eine andere Aktion machen. Es gab keine Genehmigung von der Stadt, dann war die Luft raus, aber ich war schon drei Monate hier und hatte gleichgesinnte Freunde gefunden. Berlin ist voller toller Menschen. Brauche ich Sozialhilfe? Nein, ich arbeite in einer deutschen Firma und verdiene wie alle meine Freunde mein eigenes Geld.
Die persönliche Veränderung während des Krieges? Man ist wie ein unbeschriebenes Blatt, dann habe ich hier ukrainische Filmleute kennengelernt und es hat sich eine neue Perspektive aufgetan.
Natürlich wollen alle Frieden, aber keiner will etwas von der Ukraine abgeben. Ich sehe die Orte vor mir, die ich mit meiner Familie besucht habe. Das ist unsere Heimat. Die russische Propaganda ist massiv: Traue deiner Regierung nicht, traue dem Militär nicht. Du kannst diesen Dauerstress nicht abschalten, auch wenn Du ihn durchschaust. Dein geistiges Immunsystem ist erschöpft. Ich erinnere mich, wie wir alle Nazis wurden. Von einem Moment auf den anderen bist du ein Nazi. Irgendwann denkst du: “Was zum Teufel? Wer seid ihr eigentlich?“ Wir sehen, was in den besetzten Gebieten passiert. Das ist der Grund, warum die Ukrainer weiterkämpfen.
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