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Wehrfähigkeit an ukrainischen Schulen

Hochhaus in Kharkiv
Hochhaus in Kharkiv

Ein unter Soldaten beliebtes Sprichwort ist „Si vis pacem para bellum.“ Wörtlich übersetzt lautet es: „Wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor.“ In der Ukraine ist man bereits im Krieg. Nachdem Russland 2014 die Krim annektiert hatte, bereitete man sich vor. Das Ergebnis sieht man: Statt die Ukraine 2022 in drei Tagen einzunehmen, verlor Russland in drei Jahren knapp eine Million einsatzfähige Soldaten. Sie sind nun tot oder schwer verwundet. 

Doch ein Land im Krieg kann nicht einfach eine Pause machen. Man muss weiter vorbereitet sein. In jedem Alter. „Ich musste so Tarnnetze für einen Panzer knoten in der Schule, also jede Schule für einen Panzer.“ erklärt mir ein junger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Kyiv. „Und jetzt müssen die Schulkinder lernen, was Krieg bedeutet. Das ist nicht schön – aber besser, sie wissen, wie es geht“. 

Eine Nation rüstet ihre Jugend

Angesichts des anhaltenden Konflikts hat die Ukraine begonnen, die militärische Ausbildung ihrer Schulkinder zu intensivieren. Diese Maßnahme, die von einigen als notwendige Vorbereitung auf die Verteidigung des eigenen Landes angesehen wird, wirft gleichzeitig Fragen hinsichtlich der Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und Wohlbefinden auf. Wobei dieses durch den Krieg, die täglichen Alarme und die Bomben eh schon in Mitleidenschaft gezogen wurde. 

Die ukrainische Regierung argumentiert, dass diese Ausbildung unerlässlich sei, um die Widerstandsfähigkeit der Nation zu stärken und die Jugend auf mögliche zukünftige Bedrohungen vorzubereiten. Die Reaktionen auf diese Entwicklung sind jedoch gemischt. Während viele Eltern die Notwendigkeit einer solchen Ausbildung angesichts des Kriegs verstehen, äußern andere tiefe Besorgnis. 

Übungen in der Praxis

Auf einem Schießstand treffe ich Sascha, er ist 14 Jahre alt, hat zwei Jahre in Berlin gelebt und zeigt mir seine Vereinswaffe: Einen Einzellader im Kaliber .22 lfb. Ein Kleinkalibergewehr, wie es auch von deutschen Sportschützen benutzt wird. Gerade für Anfänger eignet sich dieses Kaliber auf kurze Distanz, da es kaum Rückschlag hat, relativ leise ist und man mit einem Gewehr besser zielen kann, als mit einer Pistole. Doch solche Kaliber werden bis zu olympischen Disziplinen und auf langen Distanzen verwendet. 

Seine Ausbilderin Oksana blickt streng, achtet darauf, dass seine Schutzausrüstung korrekt angelegt ist und er keinen „Blödsinn“ mit der Waffe treibt. Man nimmt das Ganze ernst, als Sport und als Ausbildung. Nicht als Spaß, nicht als Kriegsspiel. „Im Geländer üben wir auch immer wieder. Mit dem Kompass, der Karte, ohne Google Maps. Und wir campen manchmal. Aber ohne Waffen“, erklärt er mir in gutem Deutsch. Sonst spielt er Klavier und Fußball. Er schießt und trifft auf 50 m nur einen Zentimeter neben dem Ziel. „Unser Scharfschütze“ – sagt die Ausbilderin zu uns. „Er ist wirklich gut, aber er muss üben, üben, üben.“ Den Zusammenhang zwischen dem Training und dem Krieg will niemand richtig ziehen, auch wenn er offensichtlich ist. „Die sollen hier nicht lernen, Menschen zu töten. Niemand möchte das. Auch unsere Soldaten wollen das nicht. Sie sollen hier lernen, genau zu treffen. Was sie treffen wollen, entscheiden sie selbst, wenn sie alt genug dafür sind.“

Die 15-jährige Mascha kommt rein. Ich frage, was sie schießt. „Kalaschnikow“ ist die Antwort lachend. Die Trainerin rollt mit den Augen: „Natürlich nicht! Sie hat auch ein .22 – das reicht“. Auch sie ist sehr diszipliniert, zielt in Ruhe, trifft gut. Ich frage sie, was sie sonst macht: „TikToks! Tanzen, Make-up-Tutorials, so was halt.“ Sie spricht flüssig Englisch, weil sie viele englische Soaps sieht. Es klingt alles ganz normal.

Auf die Frage, was Sascha und Mascha später machen wollen, antwortet Alex „Konzertpianist“ und Mascha „Influencerin“. Sie hoffen, dass der Krieg bis dahin vorbei ist und alles, was sie hier üben, ein Hobby auf einem Schießstand bleibt.