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Werbung mit Nazikollaborateuren

Berlin – Das vom Berliner Senat unterstütze Projekt „Zukunftsorte Berlin“ der Wista Management GmbH warb mit einem Nazikollaborateur auf Twitter. Nutzer, die darauf hinwiesen oder sich darüber beschwerten, wurden blockiert. Antworten gab es erst auf mehrere Nachfragen.

Das Projekt Zukunftsorte Berlin „bildet die Klammer zwischen den im aktuellen Koalitionsvertrag benannten, zu profilierenden elf Zukunftsorten Berlins,“ heisst es in der Selbstbeschreibung der Homepage. Das Projekt wird von mehreren Personen umgesetzt, die einen im „über uns“-Bereich anlächeln. Zusätzlich gibt es verschiedene Social Media Kanäle, wie Twitter und Instagram. Vor wenigen Tagen erschien ein Tweet mit dem Inhalt „Manfred v. Ardenne entwickelte das erste vollelektr. Fernsehen. Die Vorstellung auf der Funkausstellung 1931 in #Berlin brachte ihn auf die Titelseite der New York Times. Auch heute gibt es viele innovative Lösungen #MadeinBerlin [Link] #innovation #ifa2020.“

Der Tweet

Wenn es um Innovation in den 1930er Jahren in Deutschland geht, werden viele Leute hellhörig. Was passierte mit dem Herrn zwei Jahre später, als die Nazis die Macht ergriffen? Wurde er ermordet? Konnte er fliehen? Hat er mitgemacht? Im Falle des Baron Manfred von Ardenne muss man nicht lange suchen. Seine Karriere ist hinlänglich bekannt. Er lizenzierte seine Erfindung unter anderem an die C. Lorenz A.G. welche dann die Fernseher an treue Nazis und die „Wehrmachtsröhren“ verkaufte. In einem MDR Artikel heisst es über ihn: „seine Arbeiten zur Fernsehtechnik konnte er daraufhin im Auftrag des Reichspostministeriums vorantreiben. Am 22. März 1935 startete der erste Fernsehsender des Dritten Reiches. Politische Skrupel kamen dem Baron bei seiner engen Zusammenarbeit mit der Nazi-Prominenz nicht.

Das Institut von Ardennes wurde von den Nazis als „kriegswichtig“ eingestuft und gefördert. Ab 1940 arbeitete er an Hitlers Atomprogramm mit. Einer der frühen Ideen der Nazis war, mit einem interkontinentalen Tarnkappenbomber Atombomben über New York abzuwerfen. Einige Labore des Instituts wurden in einen Bunker verlegt, welcher von KZ-Häftlingen aus Sachsenhausen gebaut worden war. 

Sollte man mit Nazis werben?

Schnell hagelte es auf Twitter Kritik. Unter den Antworten an den Twitter-Account Zukuftsorte war auch: „Wow mit dem „Reichsforschungsrat“ werben, der gutes Business mit den Nazis gemacht hat“. Dieser Hinweis reichte aus, um von „Zukunftsorte“ blockiert zu werden – also nicht mehr kommentieren und die Inhalte nicht mehr lesen zu können. Auch andere Kritiker der Werbung berichteten von sofortigem Blockieren durch das Social Media Team von „Zukunftsorte“.

Am späten Abend war die Werbung mit dem Nazikollaborateur gelöscht und es hiess in einem neuen Beitrag: „Liebe Twitter-User, zunächst bedanken wir uns für die zahlreichen Hinweise&Diskussion und bedauern den Tweet rückblickend sehr. Die Zukunftsorte stehen für Offenheit, Toleranz und eine freie Gesellschaft. Wir haben den Tweet nun gelöscht.“ Auch hier wurden keine weiteren Fragen beantwortet.

Bei einem Anruf am Montag bei der Wista Management GmbH hiess es, dass man den Vorgang nicht kenne und der Senat zuständig sei. Der zuständige Mitarbeiter des Senates teilte knapp mit: „wir werden Ihrem Hinweis nachgehen“. Eine Mail an die Projektleiter wurde mit einer automatischen Antwort, dass diese bis zum 22.09. nicht erreichbar seien, beantwortet. Der zuständige Kollege meldete sich ebenfalls nicht zurück. Nach insgesamt zehn Anfragen an potentiell Zuständige kam dann doch eine Antwort der Projektleiterin per E-Mail:

Bei der Auswahl der Geschäftsstelle ging es ausschließlich um die Innovation („das erste vollelektronische Fernsehen“). Die Person Manfred von Ardenne war kein Auswahlkriterium.
Es wurde auf Twitter blockiert, weil wir der Annahme erlegen sind, hierdurch die Rotationsgeschwindigkeit einer Erregungsspirale reduzieren zu können. Das war die falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt. Das bedauern wir und haben wir rückgängig gemacht. Für eine Diskussion, wie grundsätzlich mit Innovationen von Personen umzugehen ist, die u.a. vom NS-Regime profitierten, ist unserer Meinung Twitter nicht das richtige Medium. Wir sind gern bereit, diese Diskussion zu führen, aber nicht auf einer „Social Media“-Plattform.
Wie Sie sich vergewissern können, haben wir den Post gelöscht. Wir werden künftig etwas genauer hinschauen, bevor wir mit einer Innovation „made in Berlin“ auch die zugehörige Person würdigen. Das kann ich Ihnen in jedem Fall versichern.

Diese Antwort ist irritierend: Warum ist die Person selber kein Kriterium? Eliyah Havemann beschrieb diese gewünschte Trennung zwischen Handwerk und Person in einem taz-Artikel treffend mit den Worten: „Aber wenn jemand selbstgeschnitze Hakenkreuze verkauft, interessiert es mich auch nicht, ob die handwerklich gut gearbeitet sind.“ 

Eine gute Aufarbeitung der Ereignisse sieht anders aus. Leider ist es es heutzutage eine typische Antwort zu einem solchen Thema. 

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