bsnKnow your enemy

Wir haben erbeutete russische Waffen analysiert – und viel westliche Technik gefunden

„Ich glaube, hier ist eine gekühlte Wärmebildröhre von Thales drin – und das ist nach 2014 produziert und exportiert worden“, ruft einer der Analysten hinter einem Tisch. Vor ihm ein Turm aus Geräten, Platinen und Kameras, um alles zu dokumentieren. „Okay, wie kommst du darauf?“, frage ich. „Weil der Herstelleraufkleber noch darauf ist“, sagt er lachend und zeigt auf das geöffnete Gerät.

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Thales Catherine FC und altes russisches Wärmebild Gerät

Vor ihm liegt ein Catherine FC Wärmebildgerät. Dieses hat das Zentrum für die Erforschung von Trophäen und fortschrittlichen Waffen und militärischer Ausrüstung des ukrainischen Verteidigungsministeriums aus einem russischen BDM-4 Schützenpanzer erbeutet. Baugleiche wurden auch im moderneren T-90 Panzer gefunden. Daneben das alte russische Gerät, das es ersetzt. „Wenn du die Röhre heute neu und funktionstüchtig herüberbringen würdest, wärst du im Knast. Das ist Waffen-Hightech und absolut reglementiert. Aber noch spannender ist der Shahed-Flugcomputer“, fährt er fort. Aber woher haben wir diese Geräte und warum schauen wir sie uns an?

Seit mehr als zwanzig Jahren betreibt die Berlin Story Konfliktforschung. Selten am Schreibtisch, meist vor Ort. In den Krisen- und Kriegsgebieten dieser Welt. Wir waren nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul, mit der israelischen Marine auf ihrem modernsten Kriegsschiff und haben das Tränengas bei den Protesten in Hongkong gerochen. Schon 2021 haben wir in Moskau und im Donbas versucht herauszufinden, ob ein Krieg droht. Klare Meinung aller Experten: Nein. Seit März 2022 sind wir in der Ukraine. Fast ständig ist ein Teammitglied vor Ort, hält Kontakte, führt Gespräche. Wir hatten zu Beginn der vollen Invasion Zugang zu den ersten erbeuteten Waffen, einfach weil wir da waren, als noch alles herumlag. Später bauten wir die Kontakte aus, um abgeschossene Shahed und Lancet Drohnen der Russen zu sehen, aber auch die von der Ukraine eingesetzte Bayraktar. Wir sahen die Panzerungstests und konnten uns ein Bild von den Erste-Hilfe-Kästen der Russen machen. Wir waren die ersten, die einen russischen T-72 Panzer nach Deutschland holten und vor der russischen Botschaft ausstellten. Und dann kam das Angebot, eine Unmenge von kleinen und großen Geräten nach Deutschland zu holen. Die Liste war hundert Seiten lang. Die Ausfuhrpapiere füllten zwei Aktenordner.

Wärmebildröhre mit Produktionsdatum

Panzerabwehrwaffen, Wärmebildgeräte, Funkgeräte, Drohnen, schusssichere Westen und Helme, GPS/Glosnass-Empfänger, entmilitarisierte Minen und vieles, vieles mehr. Eine Menge, die man kaum zeitnah sichten, analysieren und der Öffentlichkeit erklären kann. Also haben wir uns Analysten aus unserem Umfeld geholt, die seit vielen Jahren nichts anderes machen. Die haben auch die Erfahrung, Zusammenhänge zu sehen und vieles sofort zu erkennen. Warum wird dieser Chip verwendet und nicht jener? Wo wurde ein ähnliches Platinenlayout schon verwendet? Warum ist eine Batterie spannender als eine andere?

In der Serie „Know your enemy“ werden wir nach und nach die Erkenntnisse zu einzelnen Geräten oder Systemen vorstellen: Warum russische GPS Empfänger ein Mikrofon und BLE haben, wie der Boardcomputer der KH-101 Rakete funktioniert und in welcher Waffe wir ein italienisches Abflussrohr gefunden haben. 

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Die Arbeit ist bisher nicht abgeschlossen, die Artikel erscheinen nach und nach HIER

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