KrisengebieteRüstungsmesse

Eurosatory – Europas Rüstungsmesse

Am Vorabend der Rüstungsmesse Eurosatory sitzen wir im besten Restaurant in Paris. Der Mann mir gegenüber hat eine Visitenkarte, auf der nur sein Name steht. Sonst nichts. Auf die Frage, wie ich ihn dann erreichen soll, antwortet er “du sollst mich gar nicht erreichen” – alle lachen und denken an die Visitenkarten-Szene aus American Psycho. Neben mir sitzt ein “Kriegsprofiteur”, also jemand, der keine Waffen verkauft, aber dessen Produkte dennoch im Kriegsgebiet zum Schutz von Leuten eingesetzt werden. Die Runde vervollständigen ein Special-Forces Soldat, der mehrere Einsätze in Afghanistan hinter sich hat und sich nun dem zivilen Sektor zugewendet hat sowie ein Business-Developer aus diesem Bereich. Ein guter Querschnitt des Militärisch-Industriellen Komplexes.

In diesen Runden geht es gesittet und entspannt zu und man merkt schnell, wer Krieg gesehen und erlebt hat und wer nicht. Alle hier kennen den Krieg. Wie sie damit umgehen, ist kaum in Worte zu fassen. Es ist eine Mischung aus Faszination, Abscheu und Spaß. Man kann bizarre und lustige Geschichten erzählen, aber auch abgrundtief traurige. Einer erzählt, wie ihm Leute hinterher liefen und sich an ihm festgehalten haben, weil er sie retten sollte. Konnte er nicht. Die Personenschützer haben sie vertrieben, er saß kurz drauf im Helikopter zurück zum Flughafen. Das geht nicht einfach so an einem vorbei – auch nicht in dieser Branche. Anders verhalten sich die Leute, die so etwas nie gesehen haben. Die rechnen nur in Geld und Aufträgen. Der Mann ohne Kontaktdaten sagt “Es ist nur Geld – bedrucktes Papier. Das hat keinen echten Wert. Das einzige was zählt, ist das Leben des einzelnen.” – Damit einem Geld egal sein kann, muss man erstmal viel davon haben. Aber ich habe viele reiche Menschen im Leben getroffen. Die wenigsten haben so eine Einstellung. Hier hat niemand eine Lebensversicherung, keinen Rentenfond und keine langfristigen Pläne. Und niemand spart. Das Geld fliegt mit beiden Händen raus. “Früher wäre ich mit nem Heli zur Messe geflogen – heute nehme ich nur das Taxi” sagt der Kriegsprofiteur lachend. Man kann ja auch “preisbewusst” leben. Während stundenlang gutes Essen und Trinken kommt, beachtet niemand das klingelnde Handy. Man kann es sich leisten, einfach nicht erreichbar zu sein, wenn die Gesprächspartner es gerade wert sind.

Während ich zum Hotel gehe, bauen zwei Leute ihr “Bett” für die Nacht nur fünfzig Meter vom Restaurant auf. Mitten auf dem Bürgersteig. Es sind zwei junge Männer, die illegal hier sind und die vorm Krieg geflohen sind. Mir geht durch den Kopf, dass sie vor den Waffen geflohen sind, die ich morgen auf der Messe sehe. Beschämt gebe ich ihnen Geld. Aber wie viel ist da angemessen? Eigentlich müsste man ihnen kein Geld, sondern direkt die ganze Kreditkarte geben – sie haben es nötiger als ich. Aber das macht man ja doch nicht und findet Gründe, warum man selber alles richtig macht. Ist es eigentlich in Ordnung, einen schönen Abend mit Leuten aus der Rüstungsbranche zu verbringen? Darauf komme ich später zurück.

Die Eurosatory ist die größte Messe dieser Art in Europa. Alles, was Rang und Namen hat, stellt hier aus. Von der CS-Gas-Dose bis zum Kampfhubschrauber kann man alles mal anfassen und drüber reden. Mehrere Messehallen sind voll mit allem, was man für den Dritten Weltkrieg braucht. Parlamentsarmeen und Sicherheitsdienste von Diktatoren stehen hier Seite an Seite und drücken sich die Nase an den Panzerglasscheiben platt. Ein bisschen wie früher, als die Offiziere beider Seiten zusammen das Schlachtfeld abgeritten sind.

Auf dem Außengelände stehen Panzer. Radpanzer, Kettenpanzer, Schützenpanzer, Minipanzer und Dinge, die wie Panzer aussehen, aber dann doch was anderes sind. Daneben Kräne, Bagger und Raketenabschussrampen. Es gibt auch einen Bereich, in dem die Fahrzeuge rumfahren und zeigen, was sie können. Als Höhepunkt gibt es Waffensysteme, welche die US-Kavallerie tatsächlich im Einsatz hatte. Die passenden Soldaten sind auch dabei und erklären alles gerne. “Hey, nicht so schüchtern! Komm ran, ich mach ein Foto mit dir! Du kannst auch mal die Rakete anfassen!

Wenn man die Neuigkeiten sucht, wird man auf diesen Messen oft enttäuscht. Das Business läuft anders als bei Handys. Eine Waffe, die in vielen Kriegen im Einsatz war, die sich bewährt hat und eine Geschichte hat, ist beliebt. Natürlich wird diese dann weiterentwickelt und verändert. Aber solide und erprobt muss es sein. Neue Hersteller haben oft Schwierigkeiten, Fuß zu fassen. Was man eher sieht, sind Trends. Was ändert sich, wo werden die Stände größer? In der letzten Zeit werden z.B. die Fahrzeuge der Militärs kleiner, mobiler, konfigurierbarer und weniger gepanzert. Bei den Spezialeinheiten der Polizei ist das Gegenteil der Fall – so trifft man sich optisch in der Mitte, auch wenn die Fahrzeuge noch sehr verschieden sind.

Man kauft keine 1.000 Kampfpanzer mehr, die je 70 Tonnen wiegen. Eher werden kleinere Panzer gekauft, dazu aber Drohnen und andere Aufklärungsprodukte. Im Trend liegen auch offene Geländewagen, maximal ein bisschen gepanzert, mit denen man eine Spezialeinheit von 4-6 Leuten durchs Gelände jagen kann. Sie sollen dann die Ausrüstung für eine Woche mitnehmen können, um dann sicher zurück zu kommen. Wenn man Sorge vor Aufständen im eigenen Land hat, kauft man die vollgepanzerten kleinen Fahrzeuge mit ferngesteuertem MG, die eher an eines Mars-Rover erinnern.

Dadurch, dass die Anforderungen der polizeilichen Spezialeinheiten steigen, werden auch für diese passende Fahrzeuge angeboten. Aber diese wünschen sich weder einen offenen Jeep, noch einen Mars-Rover, aus dem man kaum aussteigen kann. Sie wollen eine Art gepanzerten Transporter für 6-10 ausgerüstete Kräfte, der sich im nahen Umfeld mit Gasgranaten oder durch Schießscharten verteidigen lässt. Neu ist hier, dass auch Polizisten in der EU Gas- und Blendgranaten einsetzen und dass es auch für diese von innen gesteuerte Geschütze auf dem Fahrzeug gibt. Mag übertrieben klingen, aber bei den Angriffen auf Charlie Hebdo wäre genau so etwas nötig gewesen. Daher wird dieser Angriff von Terroristen auch oft für das Pflichtenheft herangezogen.

An den Ständen gibt es oft Freigetränke, Süßigkeiten und freundliche Leute. Die klassischen “Messe-Babes” sieht man hier jedoch nicht. Es ist von Fachanbietern für Fachbesucher. Und Fachbesucher wollen eine schnelle und präzise Antwort. Natürlich nehme ich auch hier die Angebote gerne an, lache über die halbgaren Witze und erkundige mich, welche Waffe denn nun günstiger und besser tötet. Nur so bleiben alle bei Laune und sprechen mit einem. Klar könnte man auch mit der “Peace-Flagge” kommen, aber dann würden die Gespräche sicher verhaltener sein. Daher nehme ich auch die Einladungen zum Essen gerne an. Ich möchte ja Informationen bekommen und nicht nach der abwesenden Moral suchen.

Auf dem Weg nach draußen kommen wir an den Friedensaktivisten vorbei, die immer abends vor der Messe stehen. Sie werden weder ausgelacht noch verachtet. Auch sie gelten hier als Teil des Ganzen und niemand findet das, was sie wollen, schlimm. Panzer schaffen ja auch Frieden – wie ich auf der Messe lernte. Neben den echten Friedensaktivisten stehen jedoch auch die antisemitischen “BDS” (Boycott, Divestment and Sanctions) Leute rum. Sie fordern einen Boykott Israels, haben aber kein Problem mit der Hamas. Nachdem sie an meiner Kleidung den Makkabi-Pin entdecken, werde ich angefeindet. Sehr interessant, da sie immer drauf bestehen, keine Antisemiten zu sein. Warum haben sie dann ein Problem mit einem deutschen, jüdischen Sportverein? Ich gehe dieser Frage nicht nach, sondern lasse mich von der Polizei raus begleiten.

Am Abend sitzen wir wieder zusammen im Cafe. Diesmal mit der Polizei zwischen uns und den Hamas-freundlichen “Friedensaktivisten”. Wieder eine Geschichte mehr, die man beim nächsten Mal erzählen kann, wenn man vor der Messe zusammen sitzt.

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