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Bild. Bringt. Kritik

Amazon hat eine siebenteilige Dokumentation über die Arbeit der Bildzeitungsredaktion produzieren lassen. Seit wenigen Tagen ist diese unter dem Titel „Bild.Macht.Deutschland?“ online. Die Kritiken bei den Mitbewerbern und den Zuschauern sind schlecht. Zeit, sich die Dokumentation einmal selber anzusehen.

Die Dokumentation ist aufwändig und modern produziert. Viele Kameras, die immer dabei sind, schnelle Schnitte, mit Spannungsbögen und ein bisschen Dramatik. Sie zeigt den Alltag in der Redaktion der größten Tageszeitung Europas. Das Produktionsteam durfte ein Jahr drehen – es ergab sich, dass die Dreharbeiten in das Corona-Jahr 2020 fielen. Regierungsmitglieder geben sich die Klinke in die Hand und werden mehrmals pro Woche zum Thema interviewt. Der Internetfernsehsender BildLIVE positioniert sich innerhalb der Marke mehr, was die Arbeitsweise der Redaktion ändert. Das macht die Dokumentation besonders interessant, da viele Schlagzeilen und BildLIVE Berichte zu diesem Thema polarisierten und für langanhaltende Diskussionen in der Bevölkerung führten.

Doch auch in der Reaktion ist man als Zuschauer bei den Diskussionen und den Runden dabei: Welche Abstände müssen bei den Besprechungen eingehalten werden? Maske oder nicht? Was, wenn jemand zögert und einfach keine Maske aufsetzt? Aber auch: Welche Story will man bringen und welche nicht. Darf man in dieser Zeitung einen Kinderschänder „Schwein“ nennen? Hat man sich vom „Refugees welcome“ abgekehrt, oder nicht? Man sieht, dass die Meinungen dort vielfältig sind. Bild-Vize Ronzheimer telefoniert mit seiner Mutter, die die Grünen wählt und später sieht man, wie in der Ukraine auf ihn geschossen wird. Chefredakteur Julian Reichelt hat nicht öffentliche Treffen mit dem Bundesinnenminister Seehofer und ist später dabei, als Einrichtungen durchsucht werden, welche die Terrororganisation Hisbollah unterstützen sollen.

Man bekommt einen Eindruck von den Problemen einer großen Organisation, von den Streitigkeiten, die sehr offen geführt werden und von den Leuten, die im Feld unterwegs sind und die Storys suchen. Alles in allem eine gut gemachte Dokumentation. Es wird über Themen und Headlines gestritten, die Leitung der Zeitung wird für ihre Entscheidungen kritisiert und die Leute sprechen selber über das, was sie falsch gemacht haben und hätten anders machen sollen. Woher kommen also die schlechten Kritiken?

Hinter vielen der schlechten Kritiken scheint zu stecken, dass die Autoren die Bildzeitung nicht mögen. Daher scheinen sie eine Dokumentation darüber ebenfalls nicht zu mögen. Um die Dokumentation ins Lächerliche zu ziehen greift man dann einzelne Sätze oder Aspekte der knapp sechsstündigen Dokumentation auf. Ein Artikel stellt im ersten Absatz heraus, wie der Chefredakteur seinen Kaffee trinkt und wie belanglos diese Information sei. Dieser Satz nimmt in der ganzen Dokumentation wenige Sekunden ein. Eine Nebensache. In einem anderen Artikel wird kritisiert, dass es nur um die Bildzeitung gehe und da meist um die Männer, die die Zeitung oder die Ressorts führen. Auch dieser Punkt ist inhaltlich richtig, aber wenn in der Runde vornehmlich Männer sitzen, dann kann das Kamerateam diesen Fakt nicht ändern. 

Die Zuschauer-Bewertungen auf Amazon sprechen eine ähnliche Sprache: 74% aller Bewertungen sind einer von fünf Sternen. Die niedrigste Bewertung. Häufigster Kritikpunkt ist, dass die Filmemacher die Bild nicht kritisieren, sondern einfach den Alltag dort zeigen. Es scheint auch, dass viele der Bewertenden die Dokumentation gar nicht gesehen haben, sondern einfach die Bildzeitung ablehnen. Sieht man sich im Vergleich die Bewertungen zu anderen Dokumentationen an, zeigt sich ein anderes Bild: Selbst Dokumentationen über die Terrororganisation „Islamischer Staat“ erhalten keine so schlechten Bewertungen. Dort wird gelobt, dass „so tiefe Einblicke“ gewährt werden oder man „so dicht ran“ komme. Sicherlich wird niemand der Bewertenden in diesem Fall Sympathien für den IS hegen, aber in dem Fall können die Leute zwischen der Produktion und den Protagonisten unterscheiden. 

Man hat das Gefühl, beim Thema „Bild“ gelten andere Regeln. Hier darf man aus Prinzip alles schlecht finden, alles über einen Kamm scheren, Klischees über diese Zeitung bedienen und auch jede Dokumentation schlecht finden, weil einem das Thema nicht gefällt. Kritik an der eigentlichen Dokumentation findet man jedoch kaum. 

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