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Illegale Querdenker Demo zieht durch Berlin

Für das Pfingstwochenende hatten Querdenker, Antisemiten und Rassisten unter dem Motto „Pfingsten in Berlin“ zu mehreren Demonstrationen in Berlin aufgerufen. Im Internet und mit Flyern wurde wochenlang dafür geworben.

Auch das Verbot der Demonstrationen beeindruckte die Teilnehmer offensichtlich nicht. In den verschiedenen Chat-Gruppen wurde dazu aufgerufen, dies zu ignorieren und dennoch anzureisen. Während ein Teil der Teilnehmer bemüht war, das Lager der Coronaleugner und das der Holocaustleugner zu trennen, sahen andere Teile dies als den gemeinsamen Kampf an. In den einschlägigen Chats las man Dinge wie „Aber du weisst auch, dass die Juden die Scheiße erfunden haben? Also egal was man man zur Judenpest meint, es kommt halt von da“. Andere wollten einfach nur „Geil auf den Globalisten ihren grebern parti machen“, wobei „Globalisten“ in dieser Szene ein Synonym für „Juden“ ist. Eine dritte Fraktion wollte „Merkel endlich vor Gericht bringen (…) mit nem schnellen Prozess ;)“. Auch diesmal wurde im Vorfeld immer wieder auf Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetztes hingewiesen: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ – Viele Teilnehmer sind weiterhin davon überzeugt, dass Merkel eine Diktatorin sei, welche mal die Tochter Honkeckers, mal die Enkelin Hitlers sei und deren jeweilige Arbeit weiterführe. Es gäbe keine freien Wahlen und keine andere Möglichkeit mehr, den „Völkermord an den Deutschen“ zu stoppen, als die Regierung „auszuschalten“. Inzwischen weniger beliebt ist die Theorie, dass alle Deutschen in Vernichtungslagern ermordet und durch syrische Moslems ersetzt werden. Diese Theorie hielt sich jahrelang – doch irgendwann musste auch der Letzte einsehen, dass man das Ergebnis dieser Arbeit auch nach Jahren nicht sehen konnte, und etwas mit dieser Theorie nicht stimmen konnte.

„Pfingsten in Berlin“

Der große Demo-Tag sollte Samstag, der 21. Mai 2021 werden. Die Polizei hatte Kräfte aus mehreren Bundesländern zusammengezogen und konnte bis zu 3.000 Einsatzkräfte gleichzeitig auf die Straße und Hubschrauber in die Luft bringen. Schon im Vorfeld der ersten Kundgebung fingen sie zwei Reisebusse ab und erteilten Platzverweise. Um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu schützen, war dies abgegittert und dort mehrere Hunde im Mahnmal eingesetzt.

Mit Funk und Zentrale

Wie schon bei den vergangenen Demos gab es eine „Zentrale“, welche „funkt“, also die Rädelsführer koordiniert. Diese stimmten sich per Funk über das weitere Vorgehen, die Standorte der Polizei und ähnliches ab. Besonders geheim ist das ganze nicht, die Funkgeräte zum Mithören bekommt man im gut sortierten Elektrogeschäft und große Teile der Absprachen konnte man auch in dem Livestreams der Teilnehmer sehen. Daher handhaben wir es an den Demotagen genau so und verfolgen Funk und Streams, um uns vor Ort zu koordinieren.

Vor laufender Kamera wurde besprochen, welche Gruppen sich wann auf den Weg in welche Richtung machen. So konnte man zum Beispiel verfolgen, wie im Tiergarten besprochen wurde, dass sich nun hunderte Menschen auf den Weg zum Potsdamer Platz und dann Richtung Voßstraße machen. Rund fünfzehn Minuten lang konnte man sehen, wie sie eigenständig die Ausfahrt des Tiergartentunnels und andere Strassen sperrten. Es schien, als habe die Polizei erneut nichts von all dem mitbekommen und sei völlig überrascht davon gewesen.

Auch dieses mal waren wieder Kleinkinder in der ersten Reihe dabei. Diese sollten vor der Polizei schützen und im Falle einer Eskalation für „gute Bilder sorgen“, also Bilder von verletzten Kindern, welche man dann für die eigene Propaganda nutzen kann. In diesem Video sieht man z.B. wie ein Kleinkind im Kinderwagen in der ersten Reihe zur Polizeikette geschoben wird. 

Illegale Demonstration durch Berlin

Als absehbar war, dass am Potsdamer Platz an der Kreuzung Voßstraße/Ebertstraße kein Durchkommen war, wurden kurz nach 15:00 Uhr erste Gruppen angewiesen, sich auf den Weg zum Alexanderplatz zu machen. Später wurden sie aber zurückbeordert und sollten sich wieder der Hauptgruppe von inzwischen rund 2.000 Personen anschließen.

Ab 15:20 Uhr begann die Polizei an der Voßstraße die Personalien der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufzunehmen und führte sie zu diesem Zweck einzeln ab. In der Ebertstraße wurde die Ansammlung Richtung Potsdamer Platz zurückgedrängt. Um 15:50 Uhr erfolgte die Ansage an die Rädelsführer, die Gruppe über die Leipziger Straße Richtung Osten (also Richtung Alexanderplatz) zu führen. Auch im weiteren Verlauf erfolgten stets Ansagen per Funk, um die illegale Demonstration um die Polizeikräfte herum durch die Stadt zu lotsen.

Die Spitze der Demonstration wurde von fünf zivilen Beamten mit „Polizei“-Weste eskortiert, welche aber selber nicht eingriffen. Dies ist durchaus üblich in Berlin, da es sich hierbei um Beamte handelt, welche die Szene permanent beobachten, viele Akteure direkt erkennen und die Lage relativ schnell einschätzen können. Sie sammeln Informationen, melden den Standort, beobachten die einzelnen Leute und helfen so dauerhaft einen Überblick über diese Szene zu haben. Dennoch ein irritierendes Bild für Aussenstehende.

Die Demonstration umfasste rund 2.000 Menschen ohne Masken und ohne Mindestabstände. Innerhalb der Demonstration unterhielt man sich darüber, wie man „Merkel vors Volksgericht stellen“ oder „die Alte mal richtig ficken lassen“ wolle. Ein Pärchen ärgerte sich, dass sie „nichtmal die Antifa platt machen kann. So drei vier hätte ich noch zerlegt“, wieder andere freuen sich: „Und die Bullen wieder auf unserer Seite – freier Blick bis nach Moskau!“.

Nach rund 15 Minuten traf das erste Polizeifahrzeug an der Kreuzung Leipziger Straße und Charlottenstraße ein. Dieses wurde von zwei Teilnehmern, einer auf Krücken, blockiert. Die Beamten in Zivil griffen ein, so dass der Polizeiwagen weiter fahren konnte. Ab dort standen vereinzelte Polizeifahrzeuge auf der Route (Friedrichstraße, Bebelplatz, Oberwallstraße), jedoch griffen die Beamten nicht ins Geschehen ein.

Die Demonstration passierte den Bebelplatz. Der Platz, auf dem die Nazis die Bücher der unliebsamen Künstler und Wissenschaftler verbrannten. Dort erinnert heute eine unterirdische, leere Bibliothek an diesen Tag. Im Boden des Bebelplatzes befindet sich eine Glasplatte, durch welche man in den leeren, weißen Raum blicken kann. Einige Teilnehmer bespuckten die Glasplatte, andere tanzten zur mitgebrachten Musik.

Auf Höhe des Berliner Doms wurde die illegale Demonstration schließlich von einem Polizeiwagen angeführt und die Straße Richtung Alexanderplatz geräumt. Die Demonstration sollte zu diesem Zeitpunkt von den Rädelsführern zum Alexanderplatz geführt werden. Einige Polizisten trafen auf der Spandauer Straße ein und versuchten, die Demonstration zu stoppen. Jedoch waren es zu wenige Polizisten, welche zu früh abgesetzt worden und mit der schweren Ausrüstung zu langsam waren, um die Demonstration wirklich einzuholen. Die Demonstration bog Richtung Nikolaiviertel und Richtung Stadtschloss ab, wo die Polizei erneut versuchte, sie zu stoppen. Schließlich wurde ein Teil der Demonstration auf einer Brücke an der Fischerinsel gestoppt. Rund 50 Personen wurden festgesetzt, alle anderen liefen in verschiedene Richtungen auseinander. Ein kleiner Teil zog weiterhin, unbegleitet und auf der Straße, weiter Richtung Potsdamer Platz. Nachdem sich diese Gruppe jedoch wieder und wieder teilte, zogen sie nach mehr als einer Stunde auf dem Bürgersteig weiter. Ab da hatte sich die zuvor große Demonstration verlaufen.

Die Personalien eingekesselter Demonstranten wurden nach und nach festgestellt. Anschließend erhielten sie einen Platzverweis und sollten das Gelände verlassen, was sie oft nicht taten. Mehr als dreißig Minuten lang wurden sie von der Polizei auf den bestehenden Platzverweis hingewiesen, folgten dem jedoch nur zögerlich.

Das Narrativ der Rechten

Im Narrativ dieser Menschen ist der Staat schwach und nicht mehr handlungsfähig. Um dies auf die Probe zu stellen, testen sie, wie handlungsfähig er noch ist und inwieweit er sein Gewaltmonopol ausüben kann. Dieses Vorgehen erinnert an die Anfangszeiten der Nazis, welche dem gleichen Narrativ folgten und ebenfalls die Durchsetzungsfähigkeit der Polizei testeten. Die Demonstrationen wurden verboten, da sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Vergangenheit nicht an die Maskenpflicht und die Abstände gehalten haben.

Nun konnte diese Szene, wie seit mehr als einem Jahr durchgehend, ohne Masken und ohne Abstände eine verbotene Demonstration durchführen, ohne dass der Staat sie daran gehindert hätte. Sie liefen in mehr als einer Stunde rund fünf Kilometer weit. Dies entspricht einer üblichen Demonstratiosroute in Berlin Mitte. Es fällt schwer diesen Leuten zu erklären, dass ihr Narrativ des schwachen Staates nicht stimmt. Die Fakten sprechen an Tagen wie diesen dagegen.

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