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Das Playbook der nervenden Rechten

Berlin – Nachdem der als „Volkslehrer“ bekannte Nikolai Nerling Mitarbeiter rassistisch beleidigt und den Holocaust geleugnet haben soll, wurde er des Strandbads Plötzensee verwiesen. Nun rufen seine Fans im Minutentakt dort an und hinterlassen negative Bewertungen auf den Bewertungsportalen.

Foto: Dreizung (CC-SA 3.0)

Das Playbook der Rechten gegen das „Regime“

Es ist das immer gleiche Muster der Rechten: Provozieren, beleidigen, im Zweifel zuschlagen. So lange, bis man ein Hausverbot erhält, festgenommen wird oder irgendeinen anderen Konflikt provozieren kann. Hauptsache, man zwingt das Gegenüber, einem irgendwie Aufmerksamkeit zu schenken. Um diese gerade gewonnene Aufmerksamkeit in der eigenen Echokammer zu verstärken, inszeniert man sich anschließend als Opfer eines Terrorregimes. Die Logik ist meist einfach: Angela Merkel sei eine terroristische Diktatorin, ggf. die Tochter von Adolf Hitler und man selber sei ein Freiheitskämpfer, der Deutschland vor den Nazis befreien will. Die Nazis sind dabei die Bundesregierung, alle linken Parteien, sowie alle Antifaschisten. Eine Logik, der man kaum folgen kann. 

Man nimmt also Videos auf, in denen man erklärt, wie das Terroregime nun wieder gegen einen agiert habe. Die anderen Leute in der eigenen Echokammer erklären einem, dass man es gut gemacht hat und alle Beteiligten sind zufrieden.

Die anderen Menschen in der Echokammer haben nun aber das gleiche Problem: Durch ihre Lebensweise haben sie keinerlei Einfluss auf andere Menschen. Niemand regiert auf sie. Also rufen die Täter das Opfer aus Provokation an, hinterlassen Kommentare oder suchen sich andere Wege das Opfer weiter zu drangsalieren. Die Hoffnung ist, dass andere dem Opfer zur Seite springen und man so auch zum Kreise derer gehört, die es geschafft haben, dass mal ein anderer Mensch auf sie reagiert und jemand Notiz von der eigenen Existenz nimmt. Und man selber kann sich nun als Opfer der Handlanger des Terrorregimes inszenieren und der Kreislauf geht weiter.

Warum man Nazi wurde

Als ich den TitelWarum ich Nazi wurde“ verlegt habe, musste ich tausende Seiten eines Preisausschreibens von 1934 lesen. Der polnische Soziologe Theodor Abel, welcher sich im US-Amerikanischen Exil befand, hatte in einer Zeitung der Nazis ein Preisausschreiben inseriert. Man sollte in einem kurzen Aufsatz erklären, warum man Nazi wurde. Sehr aufschlussreich, da hunderte Personen aus allen gesellschaftlichen Schichten mitmachten. Einige Punkte wiederholten sich: Die Leute waren unzufrieden mit ihrem Leben, fühlten sich selber als Nichtsnutze und sahen nicht, wie sie die Aufmerksamkeit anderer auf sich lenken konnten. Ein Weg für sie war, zu den Nazis zu gehen. Dann provozierte man und die Menschen um einen herum waren sauer und erklärten einem, warum man das nicht machen sollte. Die Nazis suhlten sich in der Aufmerksamkeit. 

Angst hatten sie jedoch vor allem vor zwei Dingen: Der Polizei und sozialer Isolation. Ihrem Narrativ entsprach es, dass der Staat handlungsunfähig sei und die Polizei unfähig, etwas gegen sie zu unternehmen. Löste die Polizei die Treffen der Nazis aber gewaltsam auf, so zerbrach dieses Narrativ.

Zum anderen hatten sie große Angst vor sozialer Isolation: Wenn sie aufgrund ihrer Nazi-Zugehörigkeit die Arbeitsstelle verloren und somit den Kontakt zu ihrem Umfeld, so war das ein genau so großes Problem, wie der Verlust der Einkommensquelle. Aber es reichte schon, wenn auf der Arbeit niemand mehr mit ihnen redete. Auch, wenn sich das private Umfeld abwendete, machte ihnen das große Sorge. So konnten sie das Gegenüber ja nicht mehr provozieren und standen nicht mehr im Mittelpunkt. Sie standen abseits, im Dunkeln. Niemand nahm Notiz von ihnen. Das war das Gegenteil von dem, was sie wollten.

Wenn das Playbook nicht funktioniert

Im Beispiel des Standbads Plötzensee sieht man, wie das einfache Playbook heute nicht mehr funktioniert. Die Polizei war schnell informiert und kümmerte sich zügig um den Fall. Binnen eines Tages erhielt das Strandbad hunderte positive Bewertungen, so dass ein Unbeteiligter die negativen Bewertungen gar nicht wahrnimmt. Am Samstagmorgen waren bereits mehr als 1.000 Bewertungen wieder gelöscht. Und das Telefon mit den Anrufen? Da kann man den Hörer daneben legen oder einen Anrufbeantworter dran hängen. Dann mühen sich die Fans in ihrer Echokammer weiterhin ab – erreichen aber niemanden mehr, der sich ärgert. Und dann zerbricht der ganze Plan.

Was ihnen bleibt, ist sich dann in der Echokammer aufzuregen und auf Merkel zu schimpfen, die erneut ihr Terroregime verteidigt hat. Aber sie werden schon bald ihr nächstes Opfer aussuchen und dann geht es von vorne los. 

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