BerlinDemonstrationen

Das Übliche: Rechtsoffene Demonstrationen

Schnell hat man sich in der Hauptstadt an die wiederkehrenden rechten Demonstrationen und Autokorsos gewöhnt. Die Äußerungen der üblichen Personen am Mikrofon, sei es der „Volkslehrer“ Nerling oder Attila Hildmann, sind auch keine Schlagzeile mehr wert. Desinteresse hat sich breit gemacht. Es kommen wenige Anhänger, wenige Gegendemonstranten und der quotenstarke Eklat bleibt aus. Man könnte einfach jede Woche den gleiche Artikel mit den gleichen Fotos bringen, ohne dass es besonders auffallen würde. So zeigte sich der Lustgarten in Berlin Mitte auch heute im gewohnten Bild. Über dem Eingang hängt weiterhin der Banner mit den Worten „Für Weltoffenheit und demokratische Werte. Gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Hetze“, die Treppe darunter ist mittlerweile bis auf einen zwei Meter breiten Spalier abgesperrt. Unten kontrollieren Polizisten den Zugang, oben der private Sicherheitsdienst des Museums. Auf dem Platz warten bereits rund zweihundert Demonstranten um gegen den im Autokorso eintreffenden Attila Hildmann zu demonstrieren. 

Aber er bekommt jede Woche wieder 200-300 Leute hier hin. So wenige sind das auch nicht,“ kommentiert das ein junger Mann unter einer Flagge der Antifaschistischen Aktion. Ja und nein. Dreihundert Demonstranten sind in Berlin keine Besonderheit. Regelmäßig erscheinend auch noch nicht. Aber das ist der harte Kern dieses Flügels der Szene. Das sind die Leute, die mit dem Auto durch Berlin fahren und es dabei mit bundesdeutschen, russischen und amerikanischen Flaggen sowie der Flagge des deutschen Kaiserreiches schmücken. In Hildmanns Chatgruppe bei Telegram sind mehr als sechzigtausend Mitglieder – seine Reichweite ist deutschlandweit sehr hoch. Und dennoch passiert selten etwas berichtenswertes, weswegen inhaltliche Berichte ausbleiben. Eher sieht man ab und zu einen Screenshot eine merkwürdigen Äußerung auf Twitter oder der Spiegel hält eine gleichnamige Satiregruppe für die echte und produziert daraus Artikel. Seichte Unterhaltung für den Vorabend – nicht viel mehr.

Der Ablauf wirkt schon gut eingespielt: Hildmann mit seinen Fans auf der einen Seite, Gegenprotest auf der anderen Seite, dazwischen Polizei und ein Dutzend Journalisten und „Journalisten“. Die Polizei bitten immer wieder die jeweiligen Gruppen darum, auf Provokationen der anderen zu verzichten und die Journalisten liefern sich das Rennen um das beste Foto. Zwischendrin „Journalisten“ welche zum Beispiel Demonstranten den Mittelfinger zeigen, der Polizei sagen „Macht mal euren Job! Ich kann hier als Journalist und Demonstrant gleichzeitig sein! Wo steht denn, dass das nicht geht!?“ oder kontinuierlich Leute aus weniger als einem Meter Abstand ins Gesicht filmen in der Hoffnung, eine Reaktion zu provozieren. 

Als sich die Demonstration dem Ende nähert, wird ohne erkennbaren Grund aus dem Gegenprotest ein sechzehnjähriger festgenommen, später weitere Personen. Die Polizei erklärt, es liegen Anzeigen vor, unter anderem wegen Beleidigung. Ein Demonstrant erläutert „Von denen waren welche in den vergangenen Tagen in der Rigaer. Darum gehts.“ Gemeint sind die Zusammenstöße zwischen Unterstützern eines alternativen Wohnprojektes in der Rigaer Straße in Berlin und der Polizei. Am Ende werden mehrere Personen aus Hildmanns Demonstration festgenommen. 

So routiniert, wie alle Beteiligten den Tag begonnen hatten, so routiniert endet er: Der Autokorso fährt weiter, die Gegendemonstranten ziehen ab, die Polizei wartet noch, bis alle weg sind. Nächste Woche fängt es von vorne an.

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