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Gestorben auf der Suche nach einem besseren Leben

Baxtiar wurde als Flüchtling geboren und starb als Flüchtling, auf der Suche nach einem besseren Leben. Sein von Tränengas und Wasserwerfern geschwächter Körper hielt die Kälte einfach nicht mehr aus. Baxtiar wurde nur fünfundzwanzig Jahre alt. Er starb, nachdem er die EU erreicht hatte.

Baxtiars Familie floh 1979 während der iranischen Revolution nach Halabja in Kurdistan-Irak. Zwei Jahre später wurden sie in das Al Tash Camp umgesiedelt. Dort wurde Baxtiar 1996 als eines von sieben Kindern geboren und wuchs im Camp auf. Als er sieben Jahre alt war, starb der Diktator Saddam Hussein. Daraufhin zog Baxtiars Familie zurück nach Kurdistan-Irak, wo sie weiterhin in ärmlichen Verhältnissen in Barika, nahe der kurdischen Großstadt Sulaymaniyah, lebten. Er besuchte die Schule, schloss die Oberstufe ab und wollte Informatik studieren. In seinem Umfeld war er als IT-Experte bekannt, das Studium war sein großer Traum. Doch aufgrund seiner zu schlechten Abschlussnote erhielt er keinen Studienplatz. Also arbeitete er in einem lokalen Handyladen und verkaufte an einem mobilen Verkaufsstand Saft, um über die Runden zu kommen. 

Sein Cousin war bereits 2015 nach Dänemark geflohen, erhielt dort aber keinen legalen Aufenthalt und konnte nicht legal arbeiten. Sein Plan, Geld zu verdienen, und so seine Familie zu unterstützen, scheiterte. 

Vor zwei Monaten entschied sich Baxtiar, über die neue Belarus-Route nach Deutschland zu kommen. Getrieben war er vom Wunsch, hier zu studieren, Geld zu verdienen und seine Familie aus der Armut zu retten. In seiner Verzweiflung glaubte er den Schleppern, welche ihm die Route als einen ganz einfachen Weg verkauften. Beim ersten Versuch wurde er aufgegriffen und zurück nach Sulaymaniyah geflogen. Doch dies hielt ihn nicht davon ab, einen zweiten Versuch zu unternehmen. Im November versuchte er es erneut. Für die Reise brachte er mehr als 7.000 US-Dollar auf.

Am 13. November schickte er noch ein Video an andere kurdische Aktivisten und zeigte die desolate Lage der Flüchtlinge bei Minsk. Aus diesem Video erfuhren sie auch, dass Menschen von der belarussisch-polnischen Grenze zurückkehrten, nachdem sie den Schmugglern 2.000 bis 3.000 US-Dollar für den Rückweg gezahlt hatten. Einen Teil des Geldes erhielten die belarussischen Sicherheitskräfte. 

Bis zur Grenze schaffte er es noch, aber ab da begann sich sein Gesundheitszustand zu verschlechtern. Schon mit der sicheren EU in Sichtweite, musste er tagelang bei eisigen Temperaturen, teilweise im Regen, ohne ausreichenden Schutz aushalten. Seinen Freunden berichtete er, dass er das Wasser der Wasserwerfer und Reizgas abbekam. Er überquerte die Grenze nach Polen und machte sich mit anderen auf den Weg nach Deutschland. Laut seinen Begleitern schaffte er es dann am Dienstag, dem 23. November 2021 in den frühen Morgenstunden mit elf weiteren Personen die Grenze nach Deutschland zu überqueren. Baxtiar brach, kaum dass er deutschen Boden betreten hatte, zusammen und war nicht mehr ansprechbar. Die Hälfte der Gruppe floh, die andere Hälfte wählte den Notruf und bat um Hilfe. 

Ihr Notruf wurde erhört, ihre Position lokalisiert und die Rettungskräfte trafen ein – doch zu spät. Baxtiar war, fast alleine, weit weg von seiner Familie, seinen Freunden und seiner Heimat, gestorben. Alles was er wollte, war eine gute Ausbildung, einen Arbeitsplatz, und dabei die Armut und sein Leben als Flüchtling hinter sich lassen. Fast hätte er es geschafft.

Ruhe in Frieden, Baxtiar.

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