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Letztes Schaf vorm IS-Gebiet

Eine Stunde lang fahren wir von der kurdischen Hauptstadt Erbil aus Richtung Süden. Die Straßen werden schmaler, die Häuser kleiner und langsam sieht man am Horizont die Flammen, mit welchen die Erdölbetriebe überschüssiges Gas abfackeln. Das Ziel ist die letzte IS-Front, auch wenn sie den Namen nicht wirklich verdient. Fanden hier bei Makhmour und Gwer vor einigen Jahren noch schwere Gefechte statt, so ist es inzwischen ruhig. In dieser Gegend in Kurdistan-Irak wohnen nicht viele Menschen. Am Fuß des kleinen Gebirges erkennt man einzelne Dörfer. Das „Gebirge“ ist wenige hundert Meter hoch und zieht sich einige Kilometer von Norden nach Süden. „Auf der anderen Seite stehen die Irakis und dazwischen haust der IS in Höhlen“, erklärt mir ein Offizier des Nachrichtendienstes. Wir sitzen dabei auf der Terrasse eines unscheinbaren Hauses mitten in einem Dorf. Dieses Haus nutzen sie als Spähposten.

Richtung Berg gibt es einen kleinen Verschlag aus Holzlatten und Plane. Das Äquivalent zum deutschen Geräteschuppen und durchaus üblich in dieser Gegend. Nur, dass dieser „Schuppen“ für Observationszwecke präpariert ist. „Die Straße dahinten benutzen sie ab und zu Nachts. Wir sehen sie dann immer und überwachen, wer sich auf welchen Wegen bewegt“. Wirklich etwas bewegen kann der IS hier nicht. Auf beiden Seiten von feindlichen Armeen eingekesselt, von der lokalen Bevölkerung abgelehnt, führen sie ein erbärmliches Leben. „Höhlenmenschen eben“, lacht der Offizier. Fast täglich kreisen die kleinen Aufklärungsflugzeuge der Amerikaner über dieser Gegend und sammeln Daten, bevor sie nach Mossul oder Tuz Khurmatu weiterfliegen. Zwei Männer fahren mit einem alten Auto vor. Sie haben die typischen Plastiktüten vom Basar dabei; aus einem guckt ein Fladenbrot. Sie kommen rein und fangen an auszupacken: Fladenbrot, Humus, Oliven, Cola, Satellitentelefon, Nachtsichtgeräte, Maschinenpistole, Tablet. Beide gehören zu einer militärischen Antiterroreinheit. „Na ich habe Hunger! Und wir fahren doch nicht mit dem gepanzerten Humvee zu unserem gut getarnten Versteck“, erklärt einer der beiden.

Beide haben den typischen „Röntgenblick“ drauf, der in dieser Branche üblich ist. Sie kommen in einen Raum und sehen sich in wenigen Sekunden alles und jeden an. „Du musst mal Deine Schuhe putzen“, sagt der andere zu mir. Meine Schuhe stehen am Eingang, ich habe Schlappen an. Aber er weiß, welche Stiefel wo getragen werden und was „seine Leute“ tragen. Für einen Laien dürften die verschiedenen, schwarzen, dreckigen Lederstiefel vor der Tür alle gleich aussehen. Für ihn nicht.

Sie erklären mir, dass der IS von hier aus nicht richtig operieren kann und keine akute Gefahr für das Umfeld darstellt. Deswegen beobachten sie derzeit nur. Ihre Kräfte werden gebraucht, um organisiert Schmugglerbanden auszuheben, die Grenze zum Iran zu sichern und Nachwuchs auszubilden.

Sorge macht ihnen vor allem der Iran. Der Einfluss über dutzende vom Iran gesteuerte schiitische Milizen wächst täglich, wenn auch im Rest-Irak und nicht in Kurdistan-Irak.

„So es wird kalt. Wir fahren mal weiter zum nächsten Posten. Und Du solltest hier auch nicht zu lange sitzen. Ist echt zu langweilig!“, sagt der Ältere der beiden. Und ich folge seinem Rat. So spannend die Situation theoretisch sein mag, so unspannend ist es aktuell. Wie die Amerikaner zu sagen pflegen: „War is boring – until it’s not!“ (Krieg ist langweilig – bis er spannend wird).

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