bsnIsrael

Welche Waffe traf den World Central Kitchen Konvoi in Gaza?

In der Nacht vom ersten auf den zweiten April wurden sieben Mitarbeiter der NGO World Central Kitchen in Gaza getötet. Die NGO ist durch ihre Arbeit weltweit bekannt. Sie gilt als unabhängig und unpolitisch, ohne versteckte Agenda und ohne zweifelhafte Finanzierung. Nachdem sie mit drei Fahrzeugen ein Lager in Deir al-Balah, etwa in der Mitte Gaza, verlassen hatten fuhren sie nach Westen zur Küste und folgten der Küstenstraße nach Süden, Richtung Rafah. Ihre Fahrt war mit den israelischen Sicherheitskräften abgestimmt. Dennoch wurde ihr Konvoi getroffen, vermutlich von israelischen Waffen. 

Zerstörtes Fahrzeug von World Central Kitchen in Gaza. EPA-EFE/MOHAMMED SABER
Zerstörtes Fahrzeug von World Central Kitchen in Gaza. EPA-EFE/MOHAMMED SABER

Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu teilte mit, es sei ein „unbeabsichtigter Schlag“ auf den Konvoi gewesen. Die israelische Armee teilte mit, „die Umstände dieses tragischen Vorfalls zu klären.“ Es heißt, die Luftwaffe habe schuld daran. Es wird eine Drohne mit kleinen Raketen vermutet. Einige Medien vermuten, dass der Anschlag einem ranghohen Hamas-Terroristen galt, welcher sich in dem Lager aufhielt, aber nie in eines der Fahrzeuge einstieg.

Die genauen Umstände sind bisher nicht geklärt. In diesem Artikel geht es nicht um die politische Dimension des Zwischenfalls, sondern um die Fahrzeuge und ihre Zerstörung.

Welche Fahrzeuge wurden verwendet?

Verwendet wurden drei Fahrzeuge. Zwei gepanzerte Pickups, ein ungepanzerter SUV. Während ein gepanzertes Fahrzeug ausbrannte, wurde das andere und der ungepanzerte Wagen zerstört.  

Die Panzerung der Fahrzeuge entsprechen den Bildern nach bestenfalls der Klasse B6, ggf. auch nur B4+ („Kalaschnikow-Klasse“). Das Dach hat vermutlich eine Dicke von 5 bis 6,5mm Stahl, der mit einer Härte von 500 Brinell. Das sind übliche Werte für einfache, gepanzerte NGO-Fahrzeuge in Kriegsgebieten. Diese verfügen nicht über den gleichen Schutz, wie die wesentlich teureren Fahrzeuge, in denen etwa Spitzenpolitiker transportiert werden. Sie haben kleinere Schwachstellen, welche gezielt ausgenutzt werden können. Aber sie bieten einen akzeptablen Schutz gegen übliche Gefahren in diesen Gebieten, wie Handgranaten in einiger Entfernung oder den Beschuss durch normale Sturmgewehre. 

Eine Amerikanische R9X Hellfire?

Auffällig ist, dass es ein großes Loch im Dach gibt, die Schieben jedoch unbeschädigt sind und der Innenraum teilweise verbrannt wirkt, jedoch nicht durch eine große Explosion zerstört. Dies weist auf einen Einschlag von oben hin, bei dem einige kinetische Energie wirkte, jedoch nur eine kleine Explosion stattfand. Ähnliche Muster weisen Angriffe mit amerikanischen R9X Hellfire Raketen auf, wie die Exekution des iranischen Offiziers Qasem Soleimani in Bagdad 2020. Soweit bekannt, verfügt Israel nicht über diese Raketen, hat jedoch eigene ähnliche. 

Dense/Inert DIME?

Allgemein sieht die Wirkung der verwendeten Waffe nach einem DIME (Dense Inert Metal Explosive) bzw einem Raketenbeschuss mit Hohlladung aus. Bei einem DIME wird etwa ein Wolframpulver mit einem Bindemittel gemischt, um eine Ummantelung an der Außenseite der eigentlichen Sprengladung zu bilden. Im Nahfeld erhöht sich dadurch die Masse, die auf das Ziel einwirkt, und es kann zu einer stärkeren Verformung kommen. Auf Distanz werden die Gefahren und die Explosion jedoch verringert, da das Pulver beim Aufprall auf die Luft schneller abgebremst wird. So kann jedes nicht brennbare („inerte“) Pulver, das von einem explosiven Gemisch oder Gerät angetrieben wird, verwendet werden, um diesen Effekt zu erzielen. Ziel dieser Methoden ist es, einen Schaden für das beabsichtigte Ziel zu erhöhen und gleichzeitig Kollateralschäden in größerer Entfernung vom Ziel zu begrenzen. Das würde zu der Theorie passen, dass man einen Hamas-Terroristen im Fahrzeug ausschalten wollte. 

Genaues Paper dazu

Screenshot aus dem Paper von Marcílio Alves
Screenshot aus dem Paper von Marcílio Alves

Erst 2024 erklärte Marcílio Alves in seinem Paper „Penetration of ballistic gelatin by explosion-driven inert metal particles“, wie solche Waffen funktionieren. Sein Ergebnis: „Ergebnisse, die aus Hochgeschwindigkeits-Videoaufzeichnungen von ballistischer Gelatine gewonnen wurden, zeigen die Gleichmäßigkeit der Partikelwolke, die durch den von der Detonation angetriebenen Partikelring aus PTFE und Wolframpulver erzeugt wird. Es wurde beobachtet, dass die Metallpartikel unter den Bedingungen der Hochtemperatur- und Hochdruckdetonation weder sinterten noch agglomerierten.“

Ergebnis

Es bleibt abzuwarten, welche militärischen und politischen Entscheidungen zu diesem tragischen Ereignis führten. Technisch deutet vieles auf eine DIME-Waffe hin. Den Opfern und ihren Hinterbliebenen hilft diese Analyse jedoch nicht. Es zeigt, wie gefährlich die Arbeit von NGOs ist, auch wenn sie sich an alle Vorsichtsmaßnahmen in diesen Gebieten halten. Auch ein besser gepanzertes Fahrzeug hätte einer solchen Waffe kaum Stand gehalten. Einen solchen Zwischenfall wird man technisch oder durch Panzerung kaum verhindern können – man kann nur hoffen, dass in der Folge Maßnahmen getroffen werden, welche so etwas in Zukunft verhindern. 

EPA-EFE/MOHAMMED SABER


Wir versuchen, dieses Angebot kostenlos und werbefrei zu halten. Wenn dir der Inhalt gefällt, kannst du uns einfach per Paypal oder Kreditkarte unterstützen.

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"