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Polen verweigert Loringhoven den Posten als Botschafter

Armin Fuhrer berichtet auf Focus-online über den designierten deutschen Botschafter in Warschau, Arndt Freytag von Loringhoven, und über dessen Vater, Bernd Freiherr Freytag zu Loringhoven, der sich am 29. April 1945 im Führerbunker im Alter von 31 Jahren von Hitler verabschiedete, aus Berlin entkam und in britische Kriegsgefangenschaft geriet. Polen will den Sohn nicht als Botschafter, weil der Vater eng bei Hitler war. Armin Fuhrer beschreibt die Details und bezieht sich dabei auf das Buch „Ich traf Hitler“ mit den Interviews von Karl Höffkes, erschienen im Berlin Story Verlag. Darin beschreibt Vater Loringhoven seine letzten Tage bei Hitler.

Deutsche Botschaft in Polen (Raimond Spekking, cc by sa 4)

Ich meine, man darf einem Sohn nicht die Taten des Vaters ankreiden. Mein einer Großvater war ein anständiger Mensch und versteckte Leute. Mein anderer war ein übler sudetendeutscher Nazi. Dessen Sohn, also mein Vater, verlor im Alter von 17 Jahren ein Auge. Dann war für ihn Schluss mit Krieg. Zu Erkenntnissen über die Ursache des Kriegs hat das nicht geführt. Er hatte bis an sein Lebensende die Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung abonniert. Rechter geht nicht. Die Zeitung kam nicht irgendwie diskret im Umschlag, das war ganz normal. Die Auflage betrug 142.000 Exemplare. Ich halte mich nicht für das Verhalten verantwortlich, weder für das meines Vater noch meines Großvaters. Zu Sudetendeutschen und den überproportional vielen Nazis dort, steht das kürzlich erschienene Buch von Jürgen Falter über NSDAP Mitglieder, hier sehr gut besprochen von Sven Felix Kellerhoff in der WELT.

Armin Fuhrer zitiert in Focus Online den Historiker Wolfgang Pyta, der Loringhoven in seiner 2015 erschienen Hitler-Biographie als „persönlich untadeligen Generalstabsoffizier“ bezeichnete, der Hitler gegenüber Widerwillen empfunden habe. Loringhoven selbst hielt sich nach dem Krieg mit wertenden Äußerungen über Hitler meist zurück und gab sich als einer der letzten Zeugen, die den „Führer“ lebend gesehen und erlebt hatten, so Fuhrer. In seinen Memoiren machte Loringhoven aber klar, dass er den Krieg nicht erst seit der verlorenen Schlacht von Stalingrad im Februar 1943, sondern bereits seit dem gescheiterten Angriff auf Moskau im Dezember 1941, für verloren und damit für sinnlos hielt.

Ist jemand, der für Hitler als Offizier in einen Angriffskrieg zog, unschuldig? Wir sehen das nicht so. Jeder konnte selbst entscheiden. Ein Beispiel, das hervorragend recherchiert ist: Von den 500 Männern des Reserve-Polizei-Battailons aus Hamburg, die zum Juden aufspüren und ermorden nach Polen geschickt wurden, wollten zwölf nicht mit. Sie wurden als Kameradenschweine angesehen, aber ihnen passierte nichts.

So war es auch in der Wehrmacht. Wer nicht mitmachen wollte, musste nicht. Gegen Ende des Krieges war es anders. Zehn bis 15 Prozent der Deutschen haben nicht mitgemacht, sagen die Historiker. Sie haben sich dazu entschieden, auf Privilegien zu verzichten.

Es gab keine „persönlich untadeligen Generalstabsoffizier.“ Pyta und andere Historiker, die so urteilen, verteidigen die Wehrmacht, die von Anfang an die Kriegsverbrechen mit trug, die entscheidender Teil der Nazi-Verbrechen war.

Wikipedia über Vater Loringhoven ist schön gekürzt. Wie er zu Hitlers Kriegsplänen und zum Angriff auf Polen vom 01. September 1939 stand, kommt nicht vor, aber dass er vor Stalingrad ausgezeichnet wurde.

Vater Loringhoven machte nach dem Krieg eine steile Karriere, wohl die steilste von allen. Auch darüber berichten wir in „Ich traf Hitler“ im Vorspann zum Gespräch mit ihm ausführlich. Er trat 1956 in die Bundeswehr ein, also im Gründungsjahr. 1966 wurde er zum stellvertretenden Generalinspekteur und war später sogar im Planungsstab der NATO. Mein Kommentar: Gute Wahl! Er kannte Russland aus eigener Anschauung. Aber das war der Vater, nicht der Sohn, um den es in Polen geht.

Über das Buch: 45 Zeitzeugen berichten von Hitler – Köchinnen, Kammerdiener und Hausmeister, Gauleiter, Generäle und Sturmbannführer, Schauspielerinnen, Hausfrauen und Architekten. Viele erzählten zum ersten Mal. Es musste aus ihnen heraus – und sie hatten Vertrauen zu ihrem Gesprächspartner Karl Höffkes. Mit einem Beitrag von Thomas Weber (über das Buch: „Als ob man auf einmal vor einer unverhofft gefundenen Goldkiste stünde“) über den frühen Antisemitismus Hitlers.

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