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Wie ein gesunkenes russisches Kriegsschiff deutsches Business gefährdet

Im Berlin Story Bunker, dem Verlag und bei unseren Aktionen fallen eine Menge Druckaufträge an. Seien es Ausstellungstafeln, Bücher, Flyer, Visitenkarten oder Aufkleber. Je nach Produkt arbeite ich dafür mit verschiedenen Dienstleistern zusammen, einer davon ist seit zehn Jahren das Unternehmen Flyeralarm, mit welchem ich stets zufrieden war. Eigentlich hat man nicht viel Kontakt, man nutzt die moderne Webseite, sucht das Produkt, lädt die Daten hoch und wartet knapp eine Woche auf die Post.

In seltenen Fällen gab es Details zu klären oder Vorlagen anzupassen, die geht problemlos per Mail mit dem Kundenservice. Alles super. So habe ich teilweise fünfstellige Beträge im Jahr dort gelassen. Die Ausstellung zu Memes als Mittel der Propaganda wurde ebenfalls dort gedruckt. Immer wieder schleichen sich dabei Tippfehler auf den bedruckten Alu-Dibond-Tafeln ein. Oder es gibt einfach eine neue Erkenntnis zu einem Detail. Wenn es eine Kleinigkeit ist, kann man einen entsprechenden Aufkleber produzieren lassen und die Stelle überkleben, wenn es zu viel wird oder der Text komplett geändert werden muss, dann wird die Tafel neu gedruckt. In einem speziellen Fall benötigte ich den Text „Русский военный корабль, иди на хуй!“ (Russisches Kriegsschiff, fick dich!) aber zwei mal.

Man kann entweder einen Test-Aufkleber bestellen, oder 10 und mehr. Also musste ich zehn kleine Aufkleber bestellen. Zusammen mit diversen anderen Hinweisschildern und anderem. Im Laufe der Woche ging die Bestellung der Aufkleber am 14. Mai 2023 raus. Nach und nach trudelten die bestellten Produkte ein. Ich war beruflich ein paar Tage außer Landes und kümmerte mich daher nicht weiter um die Details der einzelnen Zustellungen. Normalerweise dauert es knapp eine Woche. 

Meme zum Vorfall

Am 30. Mai 2023, also mehr als zwei Wochen nach der Bestellung, erhielt ich eine E-Mail von google Business. Jemand habe die Google Maps Messenger-Funktion benutzt, um meinem Unternehmen eine Nachricht zukommen zu lassen. Ich wusste nicht mal, dass es so etwas gibt. Aber es war der mit Abstand der bizarrste Weg, wie ein langjähriger Geschäftspartner je versucht hat, mich zu erreichen. Inhalt der Nachricht war, dass ich mich bitte bei einer Person bei Flyeralarm melden möge, es gehe um einen Druckauftrag. Ich suchte im Internet nach dieser Person und es war wohl der Sprecher des Unternehmens. Da seine Mailadresse und Telefonnummer in der Nachricht standen, schicke ich eine E-Mail und fragte, was das Anliegen sei. Alles berufliche habe ich gern schriftlich, dann gibt es später keine Probleme mit der Auslegung des Inhaltes und Leute tendieren dazu, sich kurz zu fassen. Und hier geht es um einen einfachen Druckauftrag, da kann nicht viel passieren. Nur ungewöhnlich, dass sich der Sprecher des Unternehmens meldet. 

Der Sprecher antwortete per Mail, wollte jedoch nicht sagen, worum es geht und bat mich anzurufen. Mir dämmerte, das etwas im Busch ist. Wenn sich nicht der Kundensupport, sondern der Sprecher des Unternehmens meldet, dieser dann nichts schriftlich machen möchte und auf Telefonieren besteht, dann ist das recht unüblich. Ich rief an, erklärte wer ich sei und dass ich mich melden sollte. Mein Gegenüber erklärte mir recht direkt, dass ich „Russische Zeichen“ auf dem Aufkleber habe, übersetzt heißen diese „Russisches Kriegsschiff fick dich“ und die AGB würden den Druck von Hetze verbieten. Eine recht klare Eröffnung des Gespräches.

Aus meiner Sicht ist damit auch schon alles gesagt. Ich fragte, wie dieses Zitat, welches eine Antwort auf die Morddrohung russischer Soldaten war, Hetze sein könne. Daraufhin wurde mir erklärt, dass man sich in dieser Frage neutral verhalten wolle. Bei einem Angriffskrieg, bei dem russische Soldaten ukrainische Kinder vergewaltigen und sie dann vor den Eltern ermordet haben, möchte ich persönlich nicht neutral sein. Auch nicht, wenn es um Business geht. Aber das muss jeder selber wissen. Auch das erklärte ich und fragte, ob ich den Punkt wirklich richtig verstanden habe. Ja, man wolle in dieser Frage neutral sein. Wir wurden uns in diesem Punkt nicht einig.

Ich erklärte, Flyeralarm könne den Auftrag ja einfach stornieren und gut. Ich erklärte auch, dass durch dieses Gespräch unsere Geschäftsbeziehung enden wird. Nach zehn Jahren guter Zusammenarbeit und gutem Umsatz eigentlich schade. Daraufhin wendete sich das Gespräch etwas und mir wurde erklärt, das sei ja keine direkte Ablehnung dieses Auftrages gewesen. Nur der Hinweis auf die AGB und eigentlich eine ganz normale Nachfrage. Aha. Also sechzehn Tage nach Auftragserteilung, eine Woche nach der angekündigten Lieferung meldet sich der Sprecher und eröffnet mit dem Vorwurf der „Hetze“. Und das soll eine ganz normale Nachfrage sein.

Er wollte sich dann doch nochmals zurückmelden, um die Geschäftsbeziehung doch noch aufrecht zu erhalten. Für mich war alles gesagt. Ich glaube, hier liefen zwei Ansichten aneinander vorbei. Für mich war klar, dass ich die Zusammenarbeit unter solchen Umständen beende. Ich wollte meine noch kommenden Aufträge nicht als Druckmittel verwendet, um diesen einen Auftrag zu verhandeln. Ich verabschiedete mich, legte auf, suchte direkt neue Druckereien. 

Im Laufe einer Stunde bestellte ich eine Test-Tafel, Bücher und Aufkleber bei fünf verschiedenen Druckereien, um Qualität und Geschwindigkeit zu testen. Mir ist relativ egal, wer was liefert. Es ist nur Business, keine Beziehung. 

Parallel regte ich mich im Internet über dieses Verhalten auf. Ich kann so etwas einfach nicht nachvollziehen. Wenn der Anbieter Fragen zum Kontext hat, kein Problem. Der Kontext ergibt sich aber auch aus den anderen Bestellungen, wie zuletzt die Ausstellung über ukrainische Memes im Bunker, Schilder für den Eintritt und Wegweiser im Museum. Das alles wäre einfach aus dem Verlauf unserer Bestellungen herauszufinden gewesen oder vielleicht durch einen Blick auf unsere Internetseite, die aus Perspektive des Unternehmenssprechers allerdings auch „Hetze“ sein könnte. Wenn man einen entsprechenden Passus in den AGB hat: Auch kein Problem. Gehe ich woanders hin. Aber Hetze? Nein. Das kann ich nicht verstehen. Im Laufe des Nachmittags erhielt ich vom Sprecher des Unternehmens noch eine Mail, ich solle mich telefonisch melden. Gefolgt von mehrere Bildschirmseiten langen privaten Nachrichten auf Twitter und WhatsApp, welche gelinde gesagt, kein professionelles Bild abgaben. Dazu ein Dutzend Anrufe bis in die Abendstunden. 

Es mag sein, dass ich da altmodisch bin, aber ich melde mich nicht so oft mit so langen Nachrichten voller Vorwürfe, wenn man eh getrennter Wege gehen will. Ich war eher überrascht. Auf Twitter hat der Herr wohl auch mindestens zwei Accounts, mit denen er an Diskussionen teilnahm, und er hat auch an andere Personen lange private Twitter-Nachrichten verschickte. Diese fragten mich, was sie damit anfangen sollten, ich wusste es doch auch nicht. In den Nachrichten dort wollte er auch nie inhaltlich Stellung nehmen, immer nur telefonieren.

Nun ist der Vorhang bei mir zu und bei keine Fragen offen. Die eine Geschäftsbeziehung endet, die andere geht los. Ein ganz normaler Vorgang für alle Kaufleute. Ich muss nur noch einen Weg finden, den weiterhin ankommenden Nachrichten zu entgehen.

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