Am 24. Februar 2022 begann die russische Invasion der Ukraine. Ziel war es das Leben, die Kultur, den Staat und die Ukrainerinnen und Ukrainer auszulöschen. Getrieben von einem rassistischen Wahn, setzten sich hunderttausende Terroristen in Bewegung. Ich war schon zu Beginn des Krieges viel vor Ort, berichtete von der Autobahn vor Bucha, besuchte Kharkiv, Chernihiv, Mykolaiv und Kramatorsk. Die Einschläge von Artillerie und Raketen rauben einem vor Ort den Schlaf, die Anspannung ist anstrengend. Wie gut, dass meine Eltern und deren Eltern im richtigen Land Sex hatten, weswegen ich nun den „richtigen“ Pass habe und dem Kriegsgebiet jederzeit wieder entfliehen kann. So einfach wird das entschieden.
Wie verarbeitet man solche Eindrücke? Wie erklärt man es anderen? Wie drückt man seine düsteren Gedanken aus? Ich habe im Leben viel Kunst geschaffen – meist wurde sie weder wahrgenommen, noch gelobt, aber es ist ein guter Weg sich auszudrücken. In den Sinn kam mir in diesem Fall ein Panzerwrack. Der Panzer als Symbol der Unzerstörbarkeit. Er steht für Krieg, Vernichtung, Tod und Leid. Es gibt nicht einen Einsatz von Kampfpanzern, der nicht mit diesen Themen zu tun hat. Und dann kann dieses vermeintlich unzerstörbare Gerät in Sekunden zu einem Haufen Schrott verkommen, zum Grab derer, die drin sitzen, die andere zuvor ins Grab gebracht hatten.
In der Ukraine, neben Kyiv im Ort Dmytrivka, kam ich an einem Panzerfriedhof vorbei. Bizarr, weil davor ein Schild stand, dass die Panzer schon jemandem gehören und man sie nicht mitnehmen dürfe. Aber genau solche Panzer wollte ich in Deutschland zeigen, um den Leuten in Deutschland die Vergänglichkeit von Mensch und Maschine zu zeigen, ohne sie direkt mit Schockbildern der getöteten Opfer zu konfrontieren.
Seit einiger Zeit zieht auch die Sonderausstellung über Memes im Krieg Besucher an, eine neue Art ukrainischer Kriegspropaganda, Ermutigung von unten, bei der jeder im Internet mitmachen kann.
Für Wieland Giebel, den Kurator im Bunker, sind Krieg und Frieden Lebensthemen, seit er als junger Mann Bundesgeschäftsführer des Verbandes der Kriegsdienstverweigerer, dann als Kriegsreporter unterwegs war, bis zu seinem aktuellen Engagement als Freiwilliger in der Welcome Hall am Hauptbahnhof Berlin, wo die Flüchtlinge aus der Ukraine Tag und Nacht versorgt wurden. In Kyiv hatte er Kontakt zum Verteidigungsministerium aufgenommen.
Wie kommt man also an einen solchen Panzer?
Im Juni 2022 wendete ich mich mit einer sehr knappen Mail an die ukrainische Botschaft in Berlin:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich denke, dass es sinnvoll wäre, wenigstens einen abgeschossenen Panzer in Berlin auszustellen, ähnlich wie neben dem InterContinental Hotel in Kyiv. Jedoch ist mit unklar, wie man einen solchen Panzer leihen und rechtlich korrekt aus der Ukraine ausführen kann. Halten Sie eine solche Ausstellung für sinnvoll? Falls ja: An wen könnte ich mich wenden? Gruß, Enno“
Die Antwort kam in Minuten, ich wurde an die entsprechende Zuständige weitergeleitet. Diese war seitdem, bis heute, eine große Hilfe. Doch wie genau sieht der verwaltungstechnische Vorgang aus? Ich habe Erfahrung mit Veranstaltungen, da ich in Berlin lange Europas größtes Geschichtsfestival, die Historiale, organisiert habe. Also begann alles am 28. Juni 2022 mit einem harmlosen Antrag an das Bezirksamt – gefolgt von der Bitte die ganze etwas außergewöhnliche Sache mal zu besprechen.
Dass es kompliziert werden könnte, war uns klar. Also lieber vorher mit allen Beteiligten alles abstimmen und dann erst zur Tat schreiten. Ich konnte ja nicht ahnen, in was für ein Desaster ich hier steuern sollte. Die Panzer standen in Prag und Warschau bereit, alles war so weit geklärt, wir hätten sie nur aufladen und nach Berlin fahren müssen. Die Kosten hätte ich getragen. Aus meiner Sicht eine Frage von Tagen. Und dann geschah … nichts … gar nichts. Wie im Western, wenn die Strohballen vorbeirollen. Das ausgefüllte Formular an eine weitere Stelle der Verwaltung Mitte für Kunst- und Kulturprojekte blieb ebenfalls unbeantwortet.
Ich sprach durch Zufall mit Journalisten des Tagesspiegels über die geplante Aktion, diese fragten einen Monat später, am 20. Juli 2022 beim Bezirksamt nach.
Der Checkpoint am 21. Juli 2022: „Enno Lenze, Museumschef im ,Berlin Story Bunker‘, will gemeinsam mit Compagnon Wieland Giebel zerschossene russische Panzer aus der Ukraine in Berlin-Mitte aufstellen. Das Ziel: der Platz vor der russischen Botschaft. Mit der ukrainischen Seite ist alles geklärt, der Kriegsschrott schon in Prag. Und so unmöglich wie es klingt, scheint das Projekt gar nicht: In Warschau hat gestern eine ähnliche Ausstellung eröffnet.“
An einem Freitag, dem 22. Juli 2022, versuchten wir zwischen acht und 14 Uhr mit etwa hundert Mal wählen, eine der zehn Telefonnummern der entsprechenden Abteilung im Bezirk Mitte zu erreichen. Es nahm nie jemand ab. Wieland Giebel berichtet: „Und dann stehe ich am Montag, dem 25. Juli 2022 im Rathaus Mitte, der Pförtner drückt mir den Telefonhörer in die Hand: Ich darf mit der Sekretärin der für Straßen und Grünflächen zuständigen Stadträtin Neumann sprechen.“
Daraufhin erhielt ich eine Eingangsbestätigung. Und dann, recht bald, eine Ablehnung. Warum die Sache abgelehnt wurde, erschloss sich mir nicht. Ein Vorwurf war, in dem Panzer könnten Menschen gestorben sein. Das ist gut möglich, aber hier ein LifeHack: Begehe keine Kriegsverbrechen im Nachbarland, wenn du nicht im Panzer sterben willst! Ich lebe seit 40 Jahren nach diesem Motto und bisher bin ich von allen Panzerminen und Raketenwerfern verschont worden. Das ist so einfach. Doch damit sollte dieses Drama noch lange nicht enden.
In der Ablehnung stand unter anderem: „Es handelt es sich hier nicht um ein Vorhaben von Kunst im Stadtraum, sondern um ein dezidiert aktuell politisches Statement zum Angriffskrieg gegen die Ukraine“, beschied der Fachbereich Kunst, Kultur und Geschichte des Amts für Weiterbildung und Kultur des Bezirks – und zwar eine Woche, nachdem der Checkpoint eingegriffen hat. Uns wird vorgehalten, die genaue Herkunft des Panzers sei nicht belegt, ein künstlerisches Konzept liege nicht vor, es handele sich „um eine deutlich politische Aktion mit Ausdrucksmitteln militärischer Propaganda.“ – Ich fand es interessant, dass hier die Politik bewerten lassen will was Kunst ist und was nicht. Und das, ohne das Kunstwerk gesehen oder den Künstler gesprochen zu haben. Beeindruckend. Ich habe das auch mal versucht. Ich bekam dafür ein „Mangelhaft“ – und das an einer Gesamtschule in Bochum.
Eine Woche später hatte sich die für Verkehr zuständige Stadträtin ein „Gutachten“ von der Kulturabteilung des Bezirks besorgt und nachgeschoben. Wer das Gutachten geschrieben hat, ist bis heute unbekannt. Ein Kultur-Geheimdokument des Bezirks Berlin-Mitte von nicht bekannten Personen, denen jede höchstrichterliche Rechtsprechung über die Bewertung von Kunst bisher offensichtlich verborgen blieb.
Wieland Giebel am 26. Juli 2022 zum Checkpoint: „Ich appelliere an die Bezirksstadträtin und die Senatskanzlei, eine klare Position zu diesem verbrecherischen Krieg zu beziehen und die Aktion innerhalb dieser Woche zu befürworten.“ Dann hätten wir einen Panzer aus Prag haben können und alles wäre ganz einfach gewesen. Jetzt aber standen wir vor der Frage: Aufgeben oder vor Gericht gehen?
Der Rechtsanwalt Dr. Patrick Heinemann, einer der aufgrund seiner Leistung prominentesten Verwaltungsrechtler Deutschlands, meldete sich. Ihm war es ein Anliegen, diese Sache durchzuziehen und er bot an, das Projekt von jetzt an juristisch zu begleiten.
„Die Aufstellung von Kriegsgerät stellt, auch wenn dieses nur vorübergehend ist, eine erhebliche Beeinträchtigung des geschützten Erscheinungsbildes dieses Boulevards dar.“ Noch ein Versuch des Bezirks. Unser Rechtsanwalt Dr. Patrick Heinemann bat einen bekannten und erfahrenen Denkmalschützer um ein Gutachten zu dieser Frage. Prof. Dr. Leo Schmidt von der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus [29. August 2022]: „,Die Aufstellung von Kriegsgerät stellt, auch wenn dieses nur vorübergehend ist, eine erhebliche Beeinträchtigung des geschützten Erscheinungsbild dieses Boulevards dar‘. Diese Stellungnahme hat im wesentlichen den Charakter einer Behauptung; fachliche Argumente, die geprüft und ggf. widerlegt werden könnten, werden nicht vorgetragen … Um zu beurteilen, ob eine Veränderung des Erscheinungsbildes eines Denkmals als Beeinträchtigung zu werten ist, ist es unabdingbar, zunächst die konkrete Situation zu prüfen und zu begreifen … Hier ist festzuhalten, dass die Straße Unter den Linden wie kaum ein anderer Ort in Berlin für die vielschichtige und auch immer wieder schmerzliche und problematische Geschichte der Stadt steht …“
Vor Gericht gehen. Dafür lebe ich in einem Rechtsstaat, dafür zahle ich gerne Steuern. Das Recht auf Kunst darf dem Unrecht des Krieges nicht weichen.
Im Rechtsamt des Bezirks sah man das anders. Vor meinem inneren Auge stellte ich mir vor, wie man dort wie im Berghain den Abend vorbereitete und dann unter zuhilfenahme bewusstseinserweiternder Mittel die Feder schwang. Anders kann ich mir die Schriftsätze einfach nicht erklären. Ein Brief nach dem anderen trudelte beim Gericht ein. Und die Gründe wurden immer bizarrer. Zunächst könnte meine Kunst die Interessen der Bundesrepublik Deutschlands tangieren. Donnerwetter! Drunter macht man es also nicht mehr. Warum nicht gleich das Raum-Zeit-Kontinuum gefährden, wie bei „Zurück in die Zukunft“? Das hätte noch mehr Dramatik gebracht. Also sah ich mir das Organigramm des Bezirksamtes an. Nein, es stand noch nicht über dem Außenministerium. Eher weit darunter. Ich wollte nur sicher gehen, dass ich da keine Verschiebung der Zuständigkeiten verpasst habe.
„Überdies ist davon auszugehen, dass auch die Kraftfahrzeugfahrer durch das Panzerwrack und durch die zu erwartenden Menschenansammlungen vor dem Panzerwrack vom Straßenverkehr abgelenkt werden, so dass mit einer akuten Unfallgefahr zu rechnen ist.“
Der Panzer könnte Ausschreitungen provozieren, syrische Flüchtlinge könnten traumatisierte werden, Radfahrer so abgelenkt, dass sie umfallen.
In einem weiteren Schreiben des Rechtsamtes der Bürgermeisterin vom 2. Februar 2023 wird gefordert, den Panzer mit Absperrgittern zu umgeben, damit niemand aus Versehen davor läuft.
Ich schrieb meinen Freunden in Kurdistan und fragte sie, ob sie die Sache traumatisierten würden. „Ja, fänden wir super!“ – „Nein, ob euch das traumatisiert?“. Es ging hin und her. Sie meinten, wir reden aneinander vorbei oder ich benutze ein falsches Wort. Am Ende verstanden sie, dass das eine echte Frage ist. „Wieso? Geht es dir nicht gut? Hast du Probleme mit einem Trauma?“ – So endet es, wenn man der Argumentation des Rechtsamt des Bezirkes folgt. Leute im Krisengebiet wollen einem helfen.
Die Sache landete also vor Gericht, weil das Bezirksamt es so wollte.
Das Gericht widerlegt dankenswerterweise selbst das Argument des Bezirks Mitte, Fußgänger könnten nicht vorbei – mit einem sagenhaften Trick, nämlich einer Messung bei Google-Maps: Der Panzer ist 3,60 breit, das erfährt man auch bei Wikipedia, die Querung der Schadowstraße, wo der Panzer aufgestellt werden soll, ist 15 Meter: „Das hier streitgegenständliche Teilstück der Schadowstraße umfasst ca. 8 x 15 m (gemessen mit google maps) und bietet damit ausreichend Platz, um auch noch Fußgängerverkehr zu ermöglichen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich an den umliegenden Teilen der Mittelpromenade große Menschenmengen bilden und dadurch ein erhebliches Hindernis entsteht. Insoweit ist vor allem zu berücksichtigen, dass keine lange Verweildauer erforderlich ist, um das Panzerwrack und den damit zum Ausdruck gebrachten Protest wahrzunehmen. Ebenso hat der Antragsgegner auch keine akute Unfallgefahr aufgrund des Panzerwracks glaubhaft gemacht.“
Am 21. Oktober reichte gar die AfD eine Anfrage im Parlament ein, erwähnte mich namentlich und wollte wissen, wie das ganze finanziert wird.
Die Entscheidung des Gerichtes
Am 3. November 2022 teilte das Verwaltungsgericht dem Rechtsamt der Bürgermeisterin mit: „Der Antragsgegner [Bezirk] wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin [uns] die beantragte straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Aufstellung eines Panzerwracks auf dem abgesperrten Teilstück der Schadowstraße, welches die Mittelpromenade der Straße Unter den Linden kreuzt, für die Dauer von zwei Wochen zu erteilen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.“ und weiter: „Die Ausnahmegenehmigung ist zu erteilen. Das Ermessen des Antragsgegners ist auf Null reduziert. Eine Versagung wäre rechtswidrig“
Gewonnen. Damit ist die Sache durch. Erledigt. Fertig. Der Bezirk hat genug unserer hart erarbeiteten Steuergelder für seinen Blödsinn verbrannt. Zunächst die Stadträtin, dann das Rechtsamt der Bürgermeisterin haben viel Steuergeld dafür aufgewendet, uns nicht in die Augen sehen zu müssen, kein einziges Wort mit uns zu wechseln.
Bis heute hat den Bezirk auch das Konzept und die Idee hinter der Kunstinstallation „Todesmaschine“ nicht interessiert. Es ging von Anfang an um eine Absage, ohne die Fakten auch nur im Geringsten zu prüfen. Dafür wurden ausschließlich – und rückblickend ist das interessant – Bereiche der eigenen Verwaltung befragt. Nicht ein externes Gutachten wurde eingeholt, nicht eine Befragung von angeblich Betroffenen durchgeführt. Wir arbeiten nie so. Wir können unsere Entscheidungen aber auch problemlos persönlich erklären. Und wir müssen alles aus der eigenen Tasche zahlen. Der Bezirk kann sich finanziell und moralisch hinter anderen verstecken.
Das Rechtsamt fordert: ZUGABEEEEE
Doch wie im schlechten Laientheater halten sich die Akteure für wahnsinnig scharfsinnig und gut, während das Publikum um Gnade bittet. Wir hatten genug. Die Laiendarsteller riefen sich selber „Zugabe“ zu und gingen in eine zweite Runde. Denn wir konnten den gewünschten Panzer nicht schnell genug nach Deutschland bewegen und das Rechtsamt der Bürgermeisterin witterte Morgenluft. Im November und Dezember kam es erneut zu unglaublichen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Wellen von großen Raketen, Drohnen und Artillerie wurden auf Wohnhäuser, Infrastruktur, Schulen und Krankenhäuser abgefeuert. Erst erhielt ich die Nachricht, dass ein Bekannter schwer verletzt wurde und Körperteile verloren hat, dann, dass ein Sanitäter, den ich kannte, durch eine Artilleriegranate starb. Anschließend kam die Bitte, Leichensäcke zu besorgen: „Tausend oder so. Wir müssen Müllbeutel zusammenkleben um die Leute zu sichern und die Reißen beim Anheben. Das ist ein Problem, wenn wir Teile sammeln.“ So sieht der Alltag dort aus. Jeden Tag. So sehen die Nachrichten aus, die wir erhalten. Das sind die Dinge, um die wir uns täglich kümmern.
Neben diesen unglaublichen Tragödien kam es zu weitreichenden Ausfällen von Strom, Heizung und Wasser. Leute bauten im freien Zelte auf, welche beheizt und mit Generator-Strom versorgt wurden, damit die UkrainerInnen sich einmal am Tag wärmen und ihr Handy laden können. Die Menschen in der Ukraine hatten ganz andere Sorgen, als die Genehmigungen für den Panzer zu stempeln. Ein Sachbearbeiter eines Amtes dort meldete sich mit den Worten ab, er müsse erst mal seine Familie suchen gehen. Wir hatten auch andere Sorgen, nämlich die Versorgung aller, die wir dort kannten.
Unter Kriegsprofiteuren sagt man „Chaos creates opportunity“ (Chaos schafft Gelegenheit). Gemeint ist, Gewinn aus Kriegshandlungen zu ziehen. Der Bezirk sieht das offensichtlich nicht anders. Statt zu fragen, wie man helfen kann, lief das Rechtsamt der Bürgermeisterin zur Höchstform auf und teilte dem Gericht mit: „den Antrag des Antragstellers im Schriftsatz vom 10. November 2022 zurückzuweisen.“ Unsere Argumentation, warum es schwierig sei einen klaren Termin zu nennen und warum die Lage so sei, wie sie sei, kommentierte das Rechtsamt der Bürgermeistern von Berlin-Mitte mit den Worten: „Der neuerliche Vortrag sowie der damit verbundene Antrag des Antragsgegners sind nicht nachvollziehbar.“
Mir wäre es zu unwürdig, eine solche Lage in dieser Form auszunutzen. Aber mir kam der Satz in den Sinn „Wenn dir etwas peinlich ist, bekommst du nicht genug Geld dafür.“ Ich bekomme nichts, sondern muss über meine Steuern noch die Anwälte der Gegenseite zahlen, die offensichtlich genug verdienen, dass es ihnen nicht peinlich ist, solche Briefe zu senden.
Doch Justitia geriet auch hier nicht ins Wanken. Die lapidare Antwort des Gerichtes: „in der Verwaltungsstreitsache (…) wird die Fristverlängerung antragsgemäß gewährt.“
Das Gericht hat nun mehrmals erklärt, was seine Position ist. Alle Argumente wurden mehrmals von allen vorgetragen. Das Rechtsamt der Bürgermeisterin kommt mit seiner Haltung, die Putin gefallen würde, nicht weiter. Also Ende? Nein!
Einer geht noch, einer geht noch rein!
Wenn man den Rechtsstreit nicht selber zahlt und am Ende für das Ergebnis nicht wirklich verantwortlich ist, kann man ja noch einen Brief ans Gericht schicken. Diesmal bemängelte das Rechtsamt der Bürgermeisterin „es sind dazu weitere Abstimmungen und Rücksprachen erforderlich, die bisher nicht erfolgen konnten.“ – Dass sie nicht erfolgen konnten stimmt nicht. Wir haben etliche Male die Abstimmung angeboten. Wir wurden immer abgewimmelt. Auch schaffen wir es offensichtlich, etliche Zeitungen, Blogs und Social Media Kanäle im Detail zu erklären, was wir wann, wie, wo und warum vorhaben.
Nur das Bezirksamt tut so, als seien keine Informationen erhältlich. Auch bezeichnend ist, dass sie per Anwalt dem Gericht schreiben, dass sie Fragen haben. Statt einfach anzurufen. Vorsorglich weist man darauf hin: „Insofern ist seitens des Antragsgegners angedacht, einen umlaufenden geschlossenen Bauzaun anzuordnen.“ Wir sind ja schon froh, dass nicht ein umlaufender und oben geschlossener Betonkasten als Sichtschutz für sensible Zeitgenossen angeordnet werden soll, sondern nur ein Zaun. Dieser kollidiert jedoch mit der Idee des Kunstwerkes „Todesmaschine“, welches die Vergänglichkeit von Mensch und Maschine darstellen und erlebbar machen soll.
Auf der Documenta ist es gang und gäbe, Kunstwerke, die mitten in der Stadt auf dem Friedrichsplatz oder in der Aue stehen, direkt anzufassen und zu erleben. In Galerien, je nach Werk, ebenfalls. Auch ist es interessant, wie sehr man sich plötzlich um Fußgänger sorgt. Berlinerinnen und Berliner können angesichts der zahlreichen über Wochen und Monate nicht entsorgten Autowracks auf Straßen und der zu Hunderten auf dem Bürgersteig herumliegenden E-Roller nur darüber lachen.
Wieder vor Ort
Vor Ort in der Ukraine besuchte ich den Panzer. Es mussten letzte Fragen geklärt werden. Unter anderem, ob er nach deutschen Maßstäben korrekt demilitarisiert wurde. Ich habe inzwischen große praktische Erfahrung mit dieser Frage, da ich auf vielen Panzerwracks rumgeklettert bin und erkenne können muss, ob die Reaktivpanzerung, also mit Plastiksprengstoff gefüllte, eckige Stahlbehälter an der Außenhülle des Panzers noch aktiv sind oder nicht. Doch die Details können schwierig sein. Also fuhr ich zusammen mit Chris Klawitter, bekannt vom Spiegel Cover, gerade nach 20 Jahren Afghanistan zurück, zum Museum für strategische Raketen des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Dort stand der Panzer. Chris ist ein erfahrener Kampfmittelräumer und war mit mir auf der einen Seite des Telefons, auf der anderen Seite waren der Anwalt Patrick Heinemann so wie das für den Import zuständige deutsche Wirtschaftsministerium BMWK. Mehr als zwei Stunden fotografierten, filmten und maßen wir Dinge nach, inspizierten jede Box der Reaktivpanzerung, maßen die Krümmung des kaputten Rohres und vieles mehr. Im Ergebnis hieß es: Ganz gut… aber…. Das Rohr war in einem grenzwertigen zustand, nicht so kaputt, dass es ganz sicher demilitarisiert war. Chris konnte jedoch direkt sein Schweißerteam rufen, welches dem Rohr zusetzen. „OK wir bringen den Generator mit – nicht dass die Russen da das Kraftwerk wegbomben und wir keinen Strom haben.“ Auch das ist kein makaberer Witz, sondern normale Planung im Kriegsgebiet.
Nach vollzogener Arbeit inspizierte das ukrainische Verteidigungsministerium den Panzer, dann ein weiterer Sachverständiger: Alles ok.
In der Lobby eines großen Hotels hatten wir die finale Besprechung in der Ukraine. Im Ministerium haben wir uns aus Sicherheitsgründen nie getroffen. Zu groß ist die Gefahr, dort zu sterben. Das Setting ist in so einem Fall irritierend: Exzellent ausgebildetes Personal liefert die besten Snacks und den besten Kaffee in die theatergroße Lobby eines Fünfsterne-Hotels – in dem alle eine schusssichere Weste und ein erste Hilfe-Trauma-Kit neben sich liegen haben. „Luftalarm“ heißt es mitten in der Besprechung. Alle sehen sich an … niemand reagiert … ok wir bleiben sitzen. Es gibt keine Bunker – diese entstehen nicht plötzlich, wenn ein Krieg los geht. Und wo eine Rakete einschlägt, kann niemand vorher sagen. Daher ergibt es gar keinen Sinn, woanders hin zu gehen. Also halten wir unser Meeting ab und überleben.
Das Meeting wird größer, neben Vertretern des Verteidigungsministeriums kommt noch ein Minister hinzu, wünscht uns viel Erfolg. Das Projekt ist hier wichtig und sehr weit oben aufgehangen. Die Logistiker einer westlichen Armee bekommen es am Nachbartisch mit, fragen ob wir Hilfe brauchen und ob sie etwas für uns tun können. Letzte Details des Überganges werden besprochen: Die Ukrainer begleiten den Panzer bis auf die polnische Seite der Grenze, ab da übernimmt unser Team.
Der Alarm wird aufgehoben. Wir haben überlebt, in einer anderen Stadt wurden Menschen beim Angriff getötet.
Endgegner Berlin
Voller Hoffnung, dass nun alles klappt geht es zurück nach Berlin. Aufgrund der Luftangriffe ist der Luftraum gesperrt. Acht Stunden mit dem Auto zur Grenze, durch Checkpoints, vorbei an Flugabwehr, an Unterständen, Panzern und Soldaten. Hinter der Grenze nochmal zehn Stunden Fahrt bis Berlin.
Der Plan ist einfach: Der Panzer kommt auf dem Tieflader zur russischen Botschaft. Dort, wo die Schadowstraße die Linden kreuzt, wird er stehen. Ein Kran lädt ihn ab, 14 Tage später alles rückwärts, anschließend geht er in die Niederlande. Soweit der Plan.
Am 2. Februar 2023 hat sich das Rechtsamt der Bezirksbürgermeisterin erneut an das Gericht gewandt, wie so oft. Wieder haben sie Ideen: „Überdies hat der Antragsteller [also wir] zu erklären, wie er das Panzerwrack Tag und Nacht vor dem unbefugten Betreten schützen wird und verhindert, dass sich Passanten an abstehenden Bauteilen (scharfe Kanten, Kanonenlauf, etc.) verletzen. Insofern ist seitens des Antragsgegners [dem Bezirk Mitte] angedacht, einen umlaufenden geschlossenen Bauzaun anzuordnen.“
Irgendwann ist es einfach genug. Nachdem sich das Rechtsamt immer wieder so einen Bullshit ausgedacht hat, sich nicht einmal bei uns gemeldet hat, alle Gesprächsangebote abgelehnt hat, platzt mir der Kragen und ich mache meinem Ärger online Luft.
Zu meiner Überraschung meldet sich am nächsten Tag die Bezirksbürgermeisterin persönlich bei mir, welche erst Ende 2022 ins Amt kam. Sie ist wiederum von meinem textlichen Wutausbruch überrascht, den kurz vor der Berlinwahl 250.000 Menschen gelesen hatten. Sie erklärt mir, dass man natürlich nichts gegen meine Kunst habe, auch nicht gegen kritische. Allerdings sei der gesamte Vorgang, alle Probleme damit und all unsere Gesprächsangebote völlig an ihr vorbeigegangen. Auch die permanenten Sabotageversuche des Rechtsamtes der Bürgermeisterin seien nicht von ihr angeordnet, sondern in Eigenregie vom Rechtsamt ausgeführt worden. Das knappe Gespräch endet darin, dass wir uns in der Sache einig sind – dass aus unerklärlichen Gründen einfach vieles acht Monate hindurch aneinander vorbei lief.
Ende gut, alles gut?
Um alles auf den letzten Drücker fertig zu bekommen, soll am Donnerstag, dem 16. Februar 2023, also nur eine Woche vor dem Beginn der Aktion, ein Vor-Ort-Termin stattfinden. Logistiker, Kranfirma, Bezirksamt und ich sind da. Im Bezirksamt gibt es einen äußerst freundlichen und kompetenten Mitarbeiter, welcher seit Anfang an mit dem Vorgang betraut ist. Er hat ein paar Detail-Wünsche zur genauen Ausrichtung des Panzers und zur Absperrung zur Straße hin. Gute Ideen, sehr durchdacht und ohne Probleme für den Aufbau an sich. Die Kranfirma, welche eine Menge verrückter Dinge im Betriebsleben realisiert hat, hat verschiedene technische Bedenken – hat aber von Papierschablonen bis zu Lasern alles dabei, um diese zu klären. Sieben Tage bis zur Aktion. Alles geklärt. Super. Der Panzer soll in der Querung, mit dem Rohr Richtung Moskau stehen. Beim Aufbau darf der Kran bestimmte Bereiche der Straße nicht blockieren, hier gelb eingezeichnet.
Fertig! Die Erlösung
Am Freitag, dem 17. Februar 2023 erreicht uns um 12:05 Uhr die Nachricht, dass wir den Kran dort nicht aufbauen können. Sowohl die Deutsche Bahn als auch die lokale BVG haben dort Tunnel. Die BVG lacht über die Anfrage nur. „Nee, nee, wir wissen schon, wie man Tunnel baut. Alles ok!“. Doch die Bahn sagt, dass wir 17,5 Meter Abstand zum Tunnel halten müssen. Dadurch ergibt sich, dass wir neben der gelben Fläche der Skizze nun auch diese roten Flächen nicht nutzen dürfen.
Freitag um eins macht jeder seins – somit ist Wochenende und kein Amt mehr zu erreichen.
Weiter geht’s!
Aber was soll’s, wir sind da ja gewohnt. Es gibt drei Varianten, auf die wir nach langer Abwägung kommen: Hubschrauber, Umladen, drauf lassen.
Es gibt einen Transporthubschrauber, welches das Gewicht tragen kann: Den Mil Mi-12. Ein Unikat, welcher in einem russischen Luftfahrtmuseum steht. Da es bei der Kunstaktion um einen russischen Panzer sowie die russische Botschaft geht, müssten sie ja ein Interesse daran haben, dass es gelingt. Doch wir finden keinen passenden Ansprechpartner.
Die nächste Idee ist, den Panzer auf dem Anhänger zu lassen und darauf abzustellen. Entweder auf dem Vorhandenen oder auf einem noch zu findenden. Der vorhandene Hänger wird aber wenige Tage später benötigt, um Hilfsgüter in die Ukraine zu transportieren. Einen Hänger zum Umladen finden wir in der Kürze der Zeit nicht. Nach weiteren Treffen vor Ort ist klar: Der Panzer bleibt auf dem Hänger, in der Querung, aber nur für das eine Wochenende. Am Montag, dem 21. Februar besprechen wir es mit allen Beteiligten. Niemand findet die Lösung ideal, aber alle können damit leben. Auch die Bahn, da die Hauptlast auf dem Heck des Hängers liegt, weit genug weg vom Tunnel.
Fertig?
Doch am Dienstag, dem 21. Februar 2022 kommt die nächste Nachricht: Die Polizei möchte nicht, dass das Rohr des russischem Panzers auf die russische Botschaft zeigt. Er möge umgedreht werden. Dann zeigt er aber auf die Büros des deutschen Bundestages. Und die Last steht auf dem Tunnel. Noch drei Tage und wieder das gleiche: Es kommt eine Beschränkung, von der acht Monate lang niemand wusste und die alle Pläne durchkreuzt. Es ist zermürbend.
So etwas hätte man verhindern können, hätten wir zu Beginn ein Treffen mit allen bekommen …
Dennoch ging es weiter und am Abend des 21. Februar 2023 hatten wir alle Genehmigungen in Berlin (und Deutschland) zusammen. Jedoch stand der Panzer weiter an der ukrainisch-polnischen Grenze. Es gab Probleme mit den Frachtpapieren, die gelöst werden mussten. Bange Stunden des Wartens. Sollte daran alles scheitern? Drei Tage vorher? Nachdem auf der deutschen Seite etliche Ämter und Unternehmen in letzter Sekunde Hand in Hand gearbeitet habe, um es noch irgendwie zu schaffen? Im Laufe des Dienstags kommt keine positive Nachricht. Es wird Mittwochmorgen. Eigentlich schon zu spät, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Presse sitzt uns im Nacken wie nie, fragen sich, ob diese Spannung dem Marketing dienen soll. Nein –es ist einfach nur unglaublich nervig. Kommt der Laster nicht rechtzeitig, so darf er auch am Wochenende nicht fahren. Das ist in Deutschland so. Da er aufgrund der diversen anderen Probleme nur bis Montag stehen kann, wäre die Aktion damit beerdigt. Und alle folgenden in den anderen Städten – irgendwann hat man keine Lust mehr, seine Freizeit und sein privates Geld für so große Projekte zu investieren.
Dann sie WhatsApp Nachricht „We crossed the border. Will be in Berlin on time“ („Wir haben die Grenze passiert, sind pünktlich in Berlin“). Erfolg. Nachdem es unmöglich schien. Wir haben es geschafft. Danke. Der Panzer wird vom 24.02.2023 an ein Wochenende lang zu sehen sein.
Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum für Militärgeschichte der Ukraine, dem ukrainischen Verteidigungsministerium und der Berlin Story entwickelt und von Dr. Patrick Heinemann juristisch vertreten. Bleibt die Frage, wer es finanziert hat. Bisher haben wir, Wieland Giebel und Enno Lenze, aus eigener Tasche einen knapp sechsstelligen Betrag vorfinanziert.
Update …
Am 24. Februar 2023, dem ersten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine, fanden in Berlin eine Unmenge von Veranstaltungen statt. Für elf Uhr hatten wir zur Pressekonferenz Unter den Linden geladen. Seit den frühen Morgenstunden stand der T-72 gut sichtbar vor der Botschaft und viele Journalistinnen und Journalisten waren schon früh erschienen, um ihre Bilder zu machen. Der Andrang um elf Uhr war überwältigend. Reuters streamte die Pressekonferenz live, CNN war mehrmals vor Ort, alle großen Medien und internationalen Agenturen waren gekommen. Viele hatten Fragen. Wieland Giebel und ich gaben mehr als zwei Stunden lang Interviews. Gegen 13:00 Uhr erschien der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev in Begleitung von „Birdie“, einer der letzten Verteidigerinnen des Azovstahl-Werkes in Mariupol. Sie war in russische Kriegsgefangenschaft geraten und später bei einem Gefangenenaustausch freigekommen. Am frühen Abend zog die riesige Demonstration des Vereins „Vitsche“ am Panzer vorbei. Aber die Aktion scheint letztendlich ohne Probleme für die Umstehenden zu verlaufen. Bis zum Abbau der Installation kommen zehntausende Berliner und Touristen, um den Panzer zu sehen.
Räumung des Panzers …
Der Panzer sollte eigentlich bis Montag Abend. Doch der Bezirk gab schriftlich das OK, dass er noch länger bleiben kann. Am Montag Abend um 21 Uhr rief jedoch die Polizei an. Der Panzer müsse „zur Gefahrenabwehr sofort Berlin verlassen“. Sie seien schon dort. Wir sollen sofort kommen.
Vor Ort einige ranghohe Polizisten und ein Mitarbeiter des Innensenators, der allerdings zufällig dort war. „Was für ein Politikum“, sagte er zu mir. „Ich habe das gerade hiermitbekommen. Da kam ’ne politische Entscheidung von ganz oben, die ging dann runter bis zum Senat und zur Polizei, und die sollen jetzt sofort den Panzer wegräumen, haben aber nicht mal ’ne Route oder ein Ziel. Du glaubst nicht, was hier los ist. So was habe ich das letzte Mal beim Breitscheidplatz erlebt.“ Auch mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium, welchem der Panzer gehört, ist die Räumung nicht abgestimmt. Welche Gefahr abgewehrt werden muss, kann niemand sagen. Schriftlich möchte man uns nichts geben. Auch nicht dem Anwalt.
Die anwesenden Polizisten fragten mich, auf welcher Strecke wir den T-72 hergeschafft hatten und ich erkläre es ihnen. Die Polizisten berieten sich und entscheiden, einfach alles so weit abzusperren, dass der Panzer sicher durch Berlin und aus der Stadt heraus geleitet werden kann. Am Ende wurde sogar die Autobahn gesperrt. Was eine Nacht.
Wo ist der Panzer?
Nachdem die weiterreise des Panzers geklärt werden konnte, setzte er seine Reise zum Freiheitsmuseum in den Niederlanden fort, wo er seitdem steht.
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