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Der russische Schrott-Panzer vor der Botschaft

Nichts wäre passiert, wenn sich nicht der Newsletter „Checkpoint“ vom Tagesspiegel eingeschaltet hätte. Das Bezirksamt Mitte wollten uns am langen Arm verhungern lassen. Am 27. Juni 2022 beantragten wir, einen in der Ukraine zerstörten russischen Panzer vor die russische Botschaft stellen zu dürfen. Knapp einen Monat lang passierte – nichts. Nach der Meldung über unsere Ansinnen im einzigen für Berlin relevanten Newsletter kam eine Reaktion des Bezirksamts Berlin Mitte in nur wenige Stunden. Im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2022 heißt es: „Mit E-Mail vom 21. Juli 2022 bestätigte der Antragsgegner (= Bezirksamt Mitte) den Eingang des Antrags und teilte mit, dass dieser geprüft werde und eine Entscheidung noch weitere Zeit in Anspruch nehme.“ Weitere Reaktionen des Bezirksamts Mitte erfolgten jeweils nur auf öffentliche Druck hin. Wir fühlten uns wie lästige Störenfriede behandelt. Bis heute hat es kein einziges Gespräch mit der verantwortlichen Stadträtin gegeben, einer Verwaltungsrichterin, die drei Jahre lang genau an dem Gericht war, das jetzt ihre Position als unhaltbar verrissen hat.

Zerstörter russischer Panzer auf der E40
Zerstörter russischer Panzer (auf dem Kopf) auf der ukrainischen E40. Foto Enno Lenze

In dem Podcast unten geht es um das Urteil des Gerichts, um das Bezirksamt, vor allem aber um unsere Motivation und was wir bisher in Kriegsgebieten persönlich erlebt haben. Es geht um die Ausstellungen im Berlin Story Bunker, um den Berlin Story Verlag sowie den Verein, der diesen Antrag gestellt hat und sich auf eine lange Tradition niedrigschwelliger Geschichtsdarstellung Unter den Linden mit unzähligen Veranstaltungen berufen kann.

Am 27. Februar 2014 überfiel Russland die Ukraine, annektierte die Krim und beging dort Kriegsverbrechen, wie bei der russischen Armee üblich. Die Welt sah zu. Nachhaltige Reaktionen blieben aus. Der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder ließ sich weiterhin vom russischem Regime bezahlen, die SPD ließ ihn dennoch weiter bei sich auftreten. Gasimporte aus Russland wurden erheblich ausgebaut – entgegen der Warnung aus den Vereinigten Staaten und aus zahlreichen europäischen Staaten.

Die Annexion der Krim wurde einfach hingenommen. Russland versuchte, den Donbas zu annektieren und schafften es in Teilen. Die Fläche ist so große wie Portugal. An den seit 2014 andauernden Krieg in der Ukraine gewöhnte man sich. Er tauchte in den Schlagzeilen schon lange nicht mehr auf. 

Dies änderte sich am 24. Februar 2022, als Russland eine volle Invasion startete. Putins Ziel war es, binnen weniger Tage die demokratisch gewählte Regierung zu vertreiben oder zu ermorden und sich das gesamte Land gewaltsam einzuverleiben. Viele überraschte es – CNN und Bild hatten allerdings schon vorher ihr Quartier in Kyiv bezogen. Einige hatten es kommen sehen, andere verhielten sich trotz der Konzentration russischer Truppen seit mehr als einem Jahr naiv. Appeasement. Man müsse mit Putin sprechen. So wie mit Hitler beim Münchner Abkommen. Das ging ja bekanntlich auch schief. Hitler trieb die Welt ins Verderben.

Doch in diesen acht Jahren seit 2014 hat sich viel verändert, vor allem militärisch. So kam die russische Armee 2022 nur bis in die Vororte Kyivs, jedoch nicht weiter. Die ukrainische Armee war besser ausgebildet und besser ausgestattet, als viele erwartet hatten. Die russischen Panzerwracks stapelten sich rund um die Hauptstadt – und stehen dort teilweise bis heute. 

Zerschossener VW Bus
Zerschossener VW Bus nahe Kyiv, Foto Enno Lenze

Während die Nachricht vom Angriff auf einen souveränen Staat, die Ukraine, um die Welt ging, war ich für Recherchen in anderen Ländern und fuhr erst im März 2022 (erneut) in die Ukraine. Der Weg nach Kyiv war grausam. Ich habe lange Autobahnabschnitte voller Leichen, zerschossener PKW und zerstörter Gebäude gesehen und fotografiert – russische Kriegsverbrechen auf mehr als hundert Kilometern.

Abgeschossene russische Panzern Kyiv
Abgeschossene russische Panzern in Kyiv, „Siegesparade“, Foto Enno Lenze

Gerade in den ersten Wochen des Krieges wurden die Bilder von zurückgelassenen russischen Panzern, von ukrainischen Bauern mit Treckern abgeschleppt, zum Symbol des Misserfolges der russischen Armee in Teilen des Krieges. Abgeschleppte und abgeschossene Panzer wurden an einem zentralen Ort in Kyiv ausgestellt. Ironisch wurde die russische „Siegesparade“ mit russischen Schrottpanzern nachgestellt. Bald folgten ähnliche Ausstellung mit Unterstützung der jeweiligen Regierungen in Prag und in Warschau – jedoch keine in Berlin. Wir überlegten, wie man eine solche Ausstellung realisieren könnte und nahmen Kontakt zur ukrainischen Verwaltung, aber auch zu Privatleuten mit erbeuteten Panzern auf. 

Historiale Geschichtsfestival 2008
Historiale Geschichtsfestival 2008, „Zeit Friedrichs des Großen“ – Mit Enno Lenze (1. v.l.) und Wieland Giebel (2. v.l.)

Mit Wieland Giebel mache ich seit vielen Jahren Ausstellungen, historische Veranstaltungen und Geschichtsfestivals. Wir entwarfen gemeinsam ein Konzept für die gesamte Installation, die begleitende Ausstellung und die dazugehörige Homepage.

Einen Panzer zu erhalten, gestaltete sich überraschend einfach. Denn die Blockadehaltung der Bundesregierung bei vielen Waffenlieferungen, die Finanzierung Putins durch die Gas- und Ölgeschäfte sowie weiteres Hofieren von Exkanzler Schröder sorgten in der Welt für Unverständnis – auch in der Ukraine. Somit wurde die Idee außerordentlich begrüßt, in der Hauptstadt Deutschlands einen Panzer auszustellen, genau vor der Botschaft der Kriegsverbrecher.

Am 2. August 2022 teilte der Bezirk Mitte mit, dass die Ausstellung nicht möglich sei. So etwas sei Sache des Senats oder gar des Außenministeriums. Beide hätten wir nicht gefragt. Genau: weil die nämlich nicht zuständig sind. Der Senat, so ergab sich später aus dem von unserem Rechtsanwalt Dr. Patrick Heinemann angeforderten Schriftwechsel, lehnte ab, sich einzumischen. 

Absagegründe des Berliner Bezirks Mitte mit 400.000 Einwohnern waren:

  • die Aktion berühre die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland
  • Es könnten Menschen im Panzer gestorben sein 
  • Es könnten die diplomatischen Beziehungen zu Russland belastet werden
  • Es gäbe Denkmalschutz-Kollisionen 
  • Später wurde nachgeschoben: mögliche Re-Traumatisierung von Flüchtlingen aus der Ukraine und aus Syrien.
  • Autofahrer könnten abgelenkt werden, so dass mit einer akuten Unfallgefahr zu rechnen sei
  • Der Krieg gehe ja noch lange, das sei also kein akutes Thema, über das ein Gericht jetzt entscheiden müsse.

Da nun absehbar war, dass dieses Projekt komplizierter wird, ließen wir uns von Dr. Patrick Heinemann beraten und vertreten, dem besten Mann auf diesem Gebiet. Er teilte dem Bezirk seine Sicht der Dinge mit und ging am Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung vor. Seine Position war zusammengefasst: Meinungs- oder Kunstfreiheit sind durch das Grundgesetz geschützt. Das kann durch verquere Auffassungen des Bezirks nicht einfach ausgehebelt werden.

Im Detail erklärte er dies in einem Beitrag in der renommierten juristischen Zeitschrift LTO. Es begann ein langes Ringen. Über die gesamte Auseinandersetzung wurde durchgehend im Tagesspiegel berichtet.

Wir boten mehrmals Gespräche an, um das Problem des Bezirks zu verstehen und unser Konzept vorzustellen. Der Bezirk, Stadträtin Almut Neumann, ließ uns immer abblitzen.

Während wir wieder und wieder in der Ukraine waren, um von dort zu berichten bzw. Hilfe zu leisten, trafen wir uns auch vor Ort mit der Verwaltung der jeweiligen Panzer-Schrottplätze und organisierten die Details eines möglichen Transports. Wann es jetzt weitergeht ist in diesem Moment offen. Die zerstörten Panzer aus Prag und Warschau, die wir hätten haben können, sind anderweitig eingesetzt.

Die Entscheidung (PDF Download) des Gerichtes fiel zu unseren Gunsten aus. Wir dürfen den Panzer ausstellen. Die Argumente des Bezirkes überzeugten nicht.

Wir müssen nun einen Panzer auswählen, diesen Importieren und uns Gedanken über die Finanzierung machen. Bei uns war es immer so, dass wir erstmal gemacht haben und dann überlegt haben wie es konkret weitergeht.

Podcast:

Wie sprachen heute auch im Podcast über unsere vergangenen Projekte und wie wir zu diesem kamen.

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