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So viel kostet eine iranische Drohne auf Kyiv

Am 4. Februar 2024 gab die Hackergruppe PRANA Network bekannt, es geschafft zu haben die Mailserver der iranischen Firma IRGC Sahara Thunder geknackt zu haben und wertvolle Daten über den Verhandlungsprozess des Erwerbs der Shahed-136 erbeutet zu haben. Am 6. Februar erlangte die Geschichte in der Öffentlichkeit durch Online-Artikel breite Aufmerksamkeit Wir versuchen hier einen Überblick in das Chaos von Date zu bringen.

Von Nicolai Bruckner und Enno Lenze

Iranische Shahed Drohne

Die Drohnen werden vor allem für Angriffe auf die Ukraine eingesetzt. In den Papieren wird von „Dolphin632 Projekt“ und „Booten“ gesprochen, dies ist wohl der Codename für die Drohnen. Nachdem Russland die Drohnen bisher direkt erworben hatte, wollen sie diese nun in Lizenz produzieren. Der Vertrag sieht 6.000 Drohnen in zweieinhalb Jahren vor. 

Wie teuer ist eine Drohne?

Der Listenpreis der Shahed 136 Drohne sollte bei rund 350.000 € pro Shahed liegen. Russland verhandelte laut einem anderen Dokument 270.000 € pro Stück.

Rechnung an China nicht bezahlt?

Doch es sind auch viele Emails im Konvolut von Daten, welche vermutlich über die kommenden Wochen ausgewertet werden müssen. Sie erklären zum Beispiel die Anmietung von Schiffen und Tankern und beschreiben besuche von Kunden. In einer Email beschwert sich die chinesische Airborne Missile Academy (Luftlande-Raketen-Akademie) beim Iran über eine unbezahlte Rechnung.

Drohnen Diversifizieren

Gefährlich für uns alle und wenig lustig wird es jedoch bei den Verkaufsprospekten der Drohnen. Neben der bisher recht einfachen Shahed 136 kommt eine ganze Gruppe neuer Drohnen auf den Markt. In den geleakten Dokumenten befinden sich unter anderem auch Präsentationsunterlagen über Drohnen mit dem Namen MC-236, M-236, M-237, 107B und 107C sowie eines Decoysystem, mit dem gezielt ukrainische Luftabwehr zerstört werden soll.

Die dazu veröffentlichten Dokumente beinhalten den April 2023 als Datumsangabe. Im Zeitraum vom 4. bis zum 8. April 2023 besuchte eine Delegation des russischen Unternehmens Alabuga JSC den Iran. Ziel der Reise war es, Russland in die Lage zu versetzen, die oben bereits angeführten Drohnen bald im eigenen Land herzustellen. Während dieses Besuches erhielt die russische Delegation Dokumente mit den technischen Daten der Drohnen und bekam sogar eine Vorführung der Systeme bei Nacht und schlechtem Wetter.

Hier eine Erklärung der einzelnen Drohnen, welche der Iran derzeit seinen Kunden anbietet.

Der Köder aus den 1940er Jahren

Altes Flugzeug und Shahed Drohen. AI Generiertes Symbolbild

Die bizarrste Erkenntnis ist, dass Russland ein Flugzeug des Typs An-2 als einen Köder für die ukrainische Luftverteidigung einsetzen will. Dieses Flugzeug wurde während des Zweiten Weltkrieges entwickelt und steht heute eigentlich in Museen. An einem Stahlseil soll es eine Kamikaze-Drohne hinter sich her ziehen. 

Da die ukrainische Luftverteidigung nach so jedem Abschuss ihre Position ändert, fällt es der russischen Armee schwer, diese Systeme zu bekämpfen. Die große An-2 soll daher als Köder dienen, damit die Luftverteidigung seine Position preisgibt, die Kamikaze-Drohne soll sie zerstören. Dabei ist es egal, ob die An-2 zerstört wird oder nicht, denn das Hauptziel ist eines der sehr wertvollen Patriot, IRIS-T, NASAMS oder Crotale System, der Ukraine. 

Illustration aus dem Prospekt

Russland nennt diese bizarre Verbindung von Vergangenheit und Zukunft: „Jägersystem für Luftverteidigungssysteme mittlerer und großer Reichweite“. So absurd diese Idee klingen mag: Die Drohne verfügt zu Beginn ihres Fluges aus eigener Kraft über einen vollen Akku, da sie gezogen wurde und hat noch viel Reichweite, wenn sie sich von der An-2 trennt. Warum hier so viel Wert auf eine elektronische Drohne gelegt wird, ist unklar. 

Optional soll eine solche Mission auch noch von einer wiederverwendbaren Aufklärungsdrohne begleitet werden. Diese soll der Kamikaze-Drohne das Ziel vorgeben, aber selber nicht abgeschossen werden. Dies würde weitere Kosten bei der zerstörten Kamikaze-Drohne sparen. 
Um die An-2 wiederverwenden zu können, soll sie hoch genug (mindestens 4.000 m) fliegen, um nicht von schulter gestützten Raketenwerfern (MANPADs) erfasst zu werden. 

Des Weiteren wird in dem Dokument angemerkt, dass es einfach ist, eine An-2 auf Fernsteuerung umzurüsten. Außerdem würde die An-2 in China immer noch produziert und Ersatzteile ohne Schwierigkeiten zu bekommen.

MC-236 Seeker: 2.000 km Reichweite mit Suchkopf

  • Flugreichweite: 2000km
  • Länge: 3,5m
  • Spannweite: 3m
  • Motor: Verbrennungsmotor
  • Antenne: automatische Verfolgung
  • Ladungsgewicht: 50kg
  • Art der Ladung: Sprengkopf+Sucher
  • Flugdauer: 12 Stunden
  • Geschwindigkeit: 170km/h
  • Dienstgipfelhöhe: 4.500 m

Diese Drohne verfügt über einen Suchkopf, der sowohl am Tag als auch bei Nacht funktionieren soll. Hier erfolgt also im Gegensatz zur 136 eine aktive Zielauswahl. Der Sucher erinnert an den der iranischen Fatter Rakete, einen Klon der amerikanischen Sidewinder. Diese Drohne wird in anderen Dokumenten einfach nur MC oder MC-236 genannt und soll eine Treffergenauigkeit (CEP) von 3 bis 5 Metern haben.

M-236: Die Relay-Drohne

Die Variante M-236 hat ebenfalls einen Sprengkopf, doch im Gegensatz zur MC-236 keinen Sucher, sondern einen Repeater, welcher das Signal der Bodenstation an andere Drohnen weiterleitet. Dieser ermöglicht es, eine MC-236 Drohne bis auf eine Entfernung von 220 km mit ihrem Bediener zu kommunizieren.

Welche Daten stimmen?

Diese Unterlagen werfen verschiedene Fragen auf: Die technischen Daten stimmen zum großen Teil mit den öffentlich bekannten Informationen zur iranischen Shahed 136 überein. Nur die Spannweite soll bei der Shahed 136 2,5 Meter, bei der M(C)-236 jedoch 3 Metern sein. Ist die MC-236 eine Weiterentwicklung der Shahed-136? Hat Russland nur die M-236 ohne Suchkopf gekauft? Denn bis jetzt ist aus der Ukraine nicht bekannt, dass Shahed-136 mit einem Suchkopf eingesetzt worden wären. Details, welche sich im Laufe der Zeit klären werden.

M-237 Jet: 600 km/h schnell

  • Flugreichweite: 1000km
  • Länge: 3,5m
  • Spannweite: 3m
  • Motor: Turbojet
  • Ladungsgewicht: 50kg
  • Art der Ladung: Sprengkopf+optionales Leitsystem
  • Geschwindigkeit: 600km/h
  • Dienstgipfelhöhe: 9km

Unter der Bezeichnung M-237 wird eine 600 km/h schnelle Jet-Drohne mit Turbine angeboten, welche auf 9.000 m Höhe fliegen soll, was diese im Wesentlichen zu einem Marschflugkörper macht. In der Ukraine werden die nur 170 km/h schnellen Shahed 136 häufig von mobilen Teams abgeschossen, welche sich nach Sichtung einer Drohne versuchen, auf der möglichen Flugroute vor dieser zu positionieren. Das geht bei der M-237 nicht mehr. 

Ein Nachteil hingegen ist der hohe Treibstoffverbrauch, wodurch die angegebene Reichweite fraglich ist. Der Anstieg des Gewichts der Drohne um 120 kg könnte jedoch auf einen größeren Tank hinweisen. Anfang 2024 wurde das erste Mal eine solche Drohne in der Ukraine abgeschossen.

Einzigartig wird die Drohne, da sie auch eine Anti-Drohnen-Waffe sein soll. Ausgerüstet mit einer Wärmebildkamera, soll diese Version Jagd auf ukrainische Drohnen machen. Auch dafür ist die höhere Geschwindigkeit relevant. 

107B: Aufklärung mit Kameras

  • Flugreichweite: 1400km
  • Signalreichweite(Video, Telemetrie): 150km
  • Länge: 2,5m
  • Spannweite: 3m
  • Motor: Verbrennungsmotor
  • Ladungsgewicht: 4kg
  • Art der Ladung: Kamera (1080p 30x optischer Zoom), Wärmebildkamera (640×512 10x digitaler Zoom)
  • Geschwindigkeit: 130km/h
  • Dienstgipfelhöhe: 3000m
  • Flugdauer: 10 Stunden

Bei der 107B handelt es sich um eine wiederverwendbare Aufklärungsdrohne, die bis jetzt jedoch in der Ukraine noch nicht in Erscheinung getreten ist. Ihre Signalreichweite deutet darauf hin, dass sie im Frontgebiet eingesetzt wird. Während des Besuches der russischen Delegation im Iran wurde auch diese Aufklärungsdrohne getestet. Hier wird besonders hervorgehoben, dass die Drohne bei schlechtem Wetter sehr gut operierte und auch in 80 km Entfernung trotz Bewölkung klare Bilder lieferte. 

Mit der 170C soll es eine Kamikaze-Drohne mit 150 km Reichweite geben, zu welcher es jedoch keinen Testbericht gab. Dank einer Wärmebildkamera kann sie am Tag und in der Nacht eingesetzt werden. 

Der russische Kundenbesuch im Volltext

(Maschinelle Übersetzung des kompletten Dokumentes)

Vom 5. bis 14. November 2022 besuchte eine Delegation von Alabuga JSC, darunter
Spezialisten für Flugzeugzellen, Avionik, Triebwerke und IT, die Islamische Republik Iran.
Ziel: Erwerb von Technologie zur Herstellung von Booten des Typs Dolphin 632 und Komponenten
für deren schnelle Lokalisierung in der Russischen Föderation im Umfang von 6.000 Einheiten.
Während des Besuchs wurden folgende Fabriken besichtigt:

  1. Avionik
  2. Motoren
  3. Segelflugzeuge
  4. Montagefertigung und Qualitätskontrolle.

Aufgrund der drohenden Luftangriffe verfügen alle Fabriken über zwei über den ganzen Iran verteilte
Backups, die Endmontage befindet sich in einem geheimen Tunnel unter einem Berg in der Nähe von
Teheran.
Aufgrund des Sanktionsregimes wurde tatsächlich eine 90-prozentige Lokalisierung aller
Komponenten erreicht. Die verwendeten importierten Komponenten sind nur öffentlich und nicht
eindeutig.

Avionikanlage:
Am Eingang befindet sich ein zweischichtiges Substrat, auf dem Komponenten in einer
automatisierten Linie koreanischer und chinesischer Produktion montiert werden. Anschließend
werden aus den Platinen Avionikelemente (Flugsteuerungssystem, Stromverteilungssystem usw.)
zusammengebaut. Die Board-Architektur und Software wurden von iranischer Seite eigenständig entwickelt. Der Prozessor TMS 320F28335 ist kein Einzelfall und steht beispielsweise in einer Menge von 10.000 Einheiten in der Russischen Föderation zum freien Verkauf zur Verfügung.
Die Kapazität beträgt ca. 10.000 Boards pro Jahr.

Motorenwerk:
Am Eingang stehen Aluminium- und Stahlbarren sowie in China hergestellte Gießereiausrüstung.
Weiter 24 Bearbeitungsmaschinen (3- und 5-Achs-CNC-Maschinen, Dreh- und Fräsproduktion in China, Iran, Deutschland, Taiwan). Lokalisierung 90 % mit Ausnahme einfacher Zündkerzen aus China und Lager aus Frankreich (im Handel in der Russischen Föderation erhältlich).
Es wurden eine detaillierte Dokumentation des MD-550-Motors im SolidWorks-Programm und
eine Schritt-für-Schritt-Montageanleitung untersucht. Dei Fabrik produziert auch
Jet- und andere Triebwerke. Die Kapazität beträgt ca. 5000 Motoren pro Jahr.

Segelflugzeugfabrik:
Am Eingang gibt es Kohlefaser- und Glasfasergewebe aus China (auch in Alabuga hergestellt),
HoneyComb Nomex-Waben, Epoxidharz.
Ausstattung 24 Matrizen.
Die Technologie ist einfach und nicht automatisiert.
Die Kapazität beträgt ca. 500 Segelflugzeuge pro Jahr.
Es wurde eine Vereinbarung geschlossen, die Folgendes festlegte:

  1. Technologietransfer, Designdokumentation, Quellcode des Dolphin632-Projekts.
  • Planer 632
  • Motor MD-550

Avioniksysteme:

  • AirData-Navigationssystem
  • FCU-Flugsteuerungssystem
  • Trägheitsnavigationssystem Sadro
  • Nassir-2 Anti-Jamming-System
    Bodenkommandozentrum JATO 632
    Raketenverstärker
    Stoßstange M632.

Lieferung der gesamten notwendigen Ausrüstung für eine 90-prozentige Lokalisierung der Produktion von 2400 Booten pro Jahr (nur Prozessoren, Zündkerzen und Lager sind nicht enthalten, alles in der Russischen Föderation sofort auf Lager verfügbar, unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit von Glasfaser und Kohlefaser in Alabuga ). 6000 Komponenten müssen über einen Zeitraum von 2,5 Jahren zusammengebaut werden.

Vollständiger Lokalisierungsplan:

  • Übergabe der Quelldokumentation inklusive Quellcode – am Tag des Eingangs Vorauszahlung
  • Segelflugzeug ab 4 Monaten.
  • Avionikmotor ab 12 Monaten.
  • Raketenstartsystem, Stoßstange ab 16 Monaten.

Lieferung von Komponenten:

  • In den ersten 3 Monaten 100 Sätze pro Monat.
  • 4–30 Monate 211 Sätze pro Monat.
  • Ersatzteile für 6.000 Boote mit Vollversorgung für 30 Monate.

Die ersten 10 Sets werden am Tag der Vorauszahlung überwiesen und können innerhalb von 10 Tagen in Alabuga zusammengestellt werden.Das Abkommen sieht eine Ausbildung von 300.000 Mannstunden im Iran und 300.000 Mannstunden in Alabuga vor.

Die iranische Seite kündigte einen Startpreis von 23 Millionen Rubel pro Einheit (375.000 Dollar pro Einheit) an. Während der Verhandlungen wurde eine Einigung in Höhe von 12 Millionen Rubel für 6.000 Stück (193.000 Dollar pro Stück) (oder 18 Millionen Rubel oder 290.000 Dollar für 2.000 Stück) erzielt. Der Gesamtpreis des Vertrags (Technologie, Ausrüstung, 6.000 Sets, Quellcode) beträgt 108,5 Milliarden Rubel (1 Milliarde 750 Millionen Dollar). Die Kosten für 6000 Produkte betragen 72 Milliarden Rubel, 50 % Vorschuss beträgt 36 Milliarden Rubel.

Die Investitionen von JSC Alabuga belaufen sich auf 48 Milliarden Rubel (36 Milliarden Rubel + 12
Milliarden Rubel Gebäudekomplex).

Für die Produktion werden 160.000 m2 fertige Produktionsfläche benötigt. Nach dem
Technologietransfer ist geplant, die Produktion auf 10.000 Boote pro Jahr zu steigern.

Fazit

Die Unterlagen zeigen, wie weit die Diversifizierung vorangeschritten ist und wie günstig die mörderischen Drohnen zu haben sind. Die Killer-Roboter aus den alten Science-Fiction-Filmen werden immer mehr Realität und fordern ihre Opfer. Wir können davon ausgehen, dass wir diese und andere Drohnen im Laufe des Jahres im Einsatz in der Ukraine sehen werden. 

Der Iran und Russland lernen in diesem und anderen Kriegen immer mehr über den Einsatz der Geräte, welche bisher ein Nischenthema waren. 

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