Anfang Januar 2024 gelang es der Ukraine, einen neuen Typ der von Russland eingesetzten und im Iran gebauten Drohne abzuschießen: Die Shahed-238. Sie wurde zerlegt und analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass diese voller westlicher Technik ist.
Vor einen Monat konnte die Ukraine bestätigen, dass Russland eine neuartige Jet-Drohne einsetzt. Diese Drohne konnte von der ukrainischen Flugabwehr erfolgreich abgefangen werden. Hacker erbeuteten zusätzlich Informationen des iranischen Herstellers. Diese sprechen von einer Jet-Variante der Shahed Drohne mit dem Namen M-237, bei der es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Shahed-238 handelt. Genau diese Drohne wurde nun genauer untersucht und Details zu den Bauteilen veröffentlicht.
Die Drohne verfügt über einen Turbojet Antrieb TJ150 der tschechischen Firma PBS Velká Bíteš. Dieser Jetantrieb erzeugt eine maximale Schubkraft von 1.500 Newton und kann die Drohne auf eine Geschwindigkeit von 500-600km/h beschleunigen. Dabei wiegt der Antrieb lediglich 18.9kg. Der Hersteller gibt eine maximale Betriebshöhe von 9000m an, was ebenfalls mit den von uns aus dem Leak des iranischen Herstellers veröffentlichten Daten übereinstimmt. Im Vergleich zu den Vorgängermodellen ist diese Variante nun deutlich schneller und damit auch schwieriger zu erfassen und abzuschießen. Dies stellt für die ukrainische Flugabwehr ein ernstzunehmendes Problem dar, da viele der mobilen Drohnenjäger-Teams häufig nur mit alten Flakgeschützen ausgestattet sind, mit denen das erfassen der deutlich schnelleren Shahed-238 nun deutlich schwieriger werden wird.
Für die Navigation der Drohne kommt, wie aus der Familie der Shahed Drohnen inzwischen bekannt, eine Mischung aus einer internen unabhängigen Trägheitsnavigationseinheit und Satellitennavigation zum Einsatz. Um die Navigation per GPS und GLONASS zu gewährleisten, werden hier gleich vier TW1712 Antennen der kanadischen Firma Talisman verwendet. In den Shahed-136, die bis jetzt in der Ukraine abgeschossen wurden, wurden bis jetzt nur zwei Antennen des gleichen Herstellers entdeckt. Die verdoppelte Anzahl der Empfänger soll vermutlich die Genauigkeit verbessern und gleichzeitig die Anfälligkeit für Störungen(Jamming) verringern. Auch die Anzahl der Antennen stimmt mit der im Leak genannten Anzahl für die neue Shahed-200er Serie überein. Auch die Prozessoren der Shahed-238 stimmen mit denen der Shahed-136 überein. Dabei handelt es sich um AD9361 des amerikanischen Herstellers Analog Devices und TMS320F28335 von Texas Instruments. Diese Baugleichheit könnte wiederum dazu führen, dass falls unsere Theorie des gehackten Steuerungssystems der Shahed-136 zutreffen sollte, auch die Shahed-238 dafür anfällig sein könnte.
Gleichzeitig verfügt die Shahed-238 jedoch auch über aktive Führungssysteme für Zielaufklärung und Zielbekämpfung. Auch dies hatten wir in unserem Artikel über die neuen Drohnen schon vermutet. Dabei handelt es sich um einen Radar sowie Infrarot-Suchkopf. Mit Hilfe dieser Systeme gelingt es der Drohne, Ziele deutlich präziser zu erfassen und sich nicht ausschließlich auf Koordinaten zu verlassen. Auch können damit bewegliche Ziele erfasst werden und die Drohne live und manuell in einer Entfernung von 150km, mit Hilfe einer Repeater-Drohne M-236 sogar bis 220km, gesteuert werden. Da es am kostengünstigsten und einfachsten wäre, ist zu vermuten, dass auch in der Shahed-236, die ebenfalls im Leak unter dem Namen MC-236 auftauchte, das gleiche Führungssystem zum Einsatz kommen wird. Diese Drohne ist in der Ukraine bis jetzt jedoch noch nicht offiziell aufgetaucht.
Die Analyse der Bauteile zeigt, dass die neuen Drohnen der 200er Serie eine Herausforderung für die Ukraine darstellen werden. Die Ukraine muss sich in ihrer Luftverteidigung auf diese neuen Bedrohungen einstellen, um der russischen Drohnenentwicklung etwas entgegensetzen zu können.
Gleichzeitig zeigen die vielen westlichen Bauteile der Drohne sehr deutlich, wie wichtig Sanktionen gegen Russland sind, die es der russischen Kriegswirtschaft erschweren, an diese westlichen Komponenten zu gelangen. Gerade der Jetantrieb einer tschechischen Firma bietet einen neuen Angriffspunkt für das Unterbrechen von Lieferketten für den Drohnenbau. Denn im Gegensatz zu Computerchips, die auf dem Weltmarkt frei und einfach zu bekommen sind, sollte es möglich sein, die Lieferkette für die Jetantriebe nachzuverfolgen und zu unterbinden. Diese Entwicklungen zeigen, wie wichtig das bald kommenden 13. Sanktionspaket der EU gegen Russland ist. Der militärtechnischen Komplex Russlands und des Irans muss stärker ins Visier genommen werden.
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