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Von Bayern nach Lyman

Ein Reisebericht von Bayern nach Lyman an die Kriegsfront im Osten der Ukraine

Pontonbrücke auf dem Weg von Izium nach Lyman

Bisher habe ich mich hier ja nur einmal über die zurückhaltende und blockierende Art von Olaf Scholz, in der Frage zur militärischen Unterstützung der Ukraine, ausgelassen, daher wird dieser Beitrag etwas anders werden.

Wir beginnen am 11. Januar in Bayern. Ich war in der Nacht gegen 03:30 gerade erst aus Lviv in der Ukraine, welches etwa 1,5h Fahrt von der polnisch/ukrainischen Grenze entfernt ist, zurück nach Deutschland gekommen. Dorthin hatte ich einen Land Rover Discovery 4, für unsere Hilfsorganisation Alex21, überführt und mehrere Rucksäcke voll mit hochwertiger medizinischer Ausrüstung für Combat Medics abgeliefert. Wir hatten zuvor nur einen Discovery 3 und einen VW Caddy für viele unserer Missionen zu den Frontstädten verwendet und der Caddy hatte langsam den Dienst quittiert. Besonders auf schlechten Straßen hatte dieser immer wieder Probleme gemacht, da er nur mit einem Frontantrieb ausgestattet ist. Vor allem im Donbass hat man aber nun mal kilometerweise Staßen nur aus Schotterwegen, die nicht mal diesen Namen wirklich verdienen, mit Schlaglöchern die ausreichen würden, um aus dem Auto einen Shaker für Cocktails in einer Cocktail-Bar zu machen. Also wurde ich auf die Suche geschickt und habe mich um einen weiteren Land Rover, der für eben solche Straßenverhältnisse, besonders auch noch im Winter, besser geeignet ist, gekümmert und diesen zwei Tage zuvor in Lviv abgegeben.

Kaum zurück stand das nächste Autoprojekt an. Ein Dacia Duster 4×4. Dieses Mal jedoch nicht für unser Team sondern für die Polizei von Lyman, einer bei der Kharkiv Offensive befreiten Frontstadt ganz im Norden vom Oblast Donezk, in der nähe von Izium und Lyssytschansk, welches immer noch unter russischer Besatzung steht. Im Gegensatz zu Lviv liegt Lyman also sehr weit im Osten des Landes und schon nahe an der russischen Grenze.

Die Polizeifahrzeuge von Lyman wurden am 31.12 bei einem Raketenangriff auf die Polizeistation größtenteils zerstört. Nur zwei Fahrzeuge, welche sich zu dieser Zeit auf Patrouille befanden, überstanden den Angriff, alle anderen explodierten, wurden von Schrapnellen durchlöchert und brannten aus. Zu dieser Zeit wurden im ganzen Land gezielt Polizeiwachen angegriffen. Nachdem Russland seine Liste von Zielen wohl weiter durchgearbeitet hatte, kam nun neben der elektrischen Infrastruktur, wohl die Polizei ins Visier von Putins Vernichtungswahn. Alex21, die Hilfsorganisation von der ich ein Teil bin, hatte zuvor schon gute Kontakte in die Stadt, die wir bereits kurz nach der Befreiung mit Hilfsgütern versorgt haben und seitdem ständig unterstützten. Als unser Team von dem Angriff erfahren hatte war uns schnell klar, dass wir neue geeignete Fahrzeuge besorgen wollen. Dank einer Städtepartnerschaft und der umfangreichen Hilfe der Menschen aus Westport, Connecticut konnten wir uns auf die Suche nach entsprechenden Fahrzeugen begeben.

Das bringt uns zurück zum 11. Januar. An diesem Tag hatte ich einen Dacia Duster 4×4 gefunden, Probe gefahren und direkt gekauft. Einen Tag darauf konnte ich schon die erforderliche Anmeldung und Versicherung erledigen . Ein Vorteil vom Leben in der bayrischen Provinz, sowas geht hier relativ schnell. Habe vor kurzem erfahren dass das in Berlin gut und gerne mal mehrere Wochen dauern kann.

Nur mit medizinischer Ausrüstung und meiner schusssicheren Weste vollgepackter Kofferraum des Dacia, kurz bevor die Reise startete

Die eigentliche Reise beginnt nun am Samstag den 14. Januar um 2 Uhr in der Nacht. Ich bin nicht alleine bei der Überführung des Wagens. Zumindest nicht mehr ab unserem Treffpunkt in Polen. Insgesamt bringen wir vier Fahrzeuge in die Ukraine: Zwei Dacia Duster für die Polizei und zwei Müllwagen für die Stadt von Lyman. Dazu liefere ich masssenweise Sanitäterausrüstung, bereits fertig gepackt in Rucksäcken, in die Ukraine, so dass sie direkt an die Front gehen können.

Die Fahrzeuge kommen von verschiedenen Orten aus ganz Deutschland und auch aus Polen kommt ein Müllwagen. Wir haben unseren Treffpunkt für Samstag 12 Uhr bei einer Tankstelle nahe des Grenzübergangs bei Ostrau in Polen vereinbart, von wo aus wir dann im Konvoi über die Grenze nach Lviv fahren wollen. Für die Fahrer der anderen Wagen endet dort nämlich ihre Reise, nur ich fahre anschließend den Wagen weiter bis nach Lyman, für alle anderen übernehmen freiwillige Fahrer aus der Ukraine.

Wir treffen uns also Samstag Mittag und machen uns, nach kurzem Kennenlernen, im Konvoi auf den Weg. Im Gepäck ein Schreiben des ukrainischen Militärs und der Polizei, die diese Fahrzeuge anfordern um uns etwas Arbeit und Zeit an der Grenze zu sparen. Außerdem all der sonstige Papierkram für die polnische Behörden, wie die europäischen Ausfuhr-Zollpapiere. Jedoch funktioniert natürlich dennoch alles nicht so wie geplant. Wir stehen einige Zeit an dem Grenzübergang bis man uns sagt die LKW könnte man hier nicht bearbeiten, außer sie stellen sich in die lange LKW Schlange und warten round about 24 Stunden. Da wir jedoch Hilfsgüter liefern, bewegen wir uns innerhalb des grünen Korridors der solche Wartezeiten eigentlich verhindern sollte. Unser T6 Bus, der alle Fahrer nach der Ablieferung in Lviv wieder nach Deutschland bringen sollte, war jedoch bereits durch die Grenze und wartete auf ukrainischer Seite auf uns, weshalb wir uns dann dazu entschlossen, dass ich noch mit meinem Dacia hier über die Grenze fahren werde und der Rest sein Glück an einem anderen Grenzposten versucht. Gesagt getan, nach etwas mehr als einer Stunde Wartezeit auf polnischer Seite hatte ich die polnische Seite hinter mir gelassen und war nun im Zoll auf der ukrainischen Seite. Dort wurde ich ein wenig hin und hergeschickt bis ich in der Zollanmeldung war. Dort zeigte ich meine Papiere der ukrainischen Polizei und des Militärs vor was dazu führte, dass die entsprechenden Formulare für mich ausgefüllt wurden, was eigentlich nicht der Regelfall ist. Alle Beamten waren sehr freundlich und mit Hilfe von Google Übersetzer wurden offene Fragen schnell geklärt. Nach etwa einer weiteren Stunde konnte ich dann zu unserem wartenden T6 aufschließen und wir begannen unseren weiteren Weg nach Lviv. Wir hatten zuvor in Krakow und direkt an der Grenze noch zwei weitere Leute mitgenommen, einer der sich bei der ukrainischen Armee als Freiwilliger melden wollte und ein Ukrainer der von der Grenze nach Lviv für seinen Führerschein musste. Beide lieferten wir in Lviv ab und fuhren dann zu unserem Safe House im Osten der Stadt. Unser Safe House ist eigentlich ein wirklich großes Gebäude, 3 Stockwerke und quasi zwei Gebäudeflügel mit genügend Zimmern um unseren gesamten Team Unterschlupf bieten zu können. Da es allerdings selten vorkommt, dass sich alle gleichzeitig in Lviv aufhalten, war genügend Platz für all die Fahrer und drei feste Teammitglieder. Darunter auch Richard von Groeling, ein Gründungsmitglied von Alex21, der für unseren Transport der Fahrzeuge zuständig war. Über die letzten Monate und durch meine Arbeit für Alex21 ist Richard inzwischen zu einem Freund von mir geworden und ich habe bisher keinen anderen Menschen kennengelernt der so engagiert ist wie er in den Sachen die er dort tut um zu helfen.

Es war also die eine Hälfte des Teams inzwischen in Lviv angekommen, doch die andere Hälfte hatte auch bei dem zweiten Grenzübergang kein Glück, trotz des Versuches über einige Kontakte einen schnelleren Grenzübertritt zu ermöglichen. Doch immerhin hatten wir es geschafft am nächsten Tag in der Früh gegen 9 Uhr eine Überfahrt für unsere Trucks und den anderen Dacia zu organisieren, was dann auch geklappt hat. Mittags waren dann alle Fahrzeuge in der Ukraine und wir setzten uns Richtung Hauptstadt Kyiv, unseren nächsten Zwischenstopp, in Bewegung.

Kurz nachdem wir uns von Lyman auf den Weg nach Kyiv gemacht haben. Nur noch 447km

Von der Grenze an übernahmen die anderen 3 Wagen dann bereits freiwillige Fahrer, die Richard über das Internet gefunden hatte. Larry ein 70 jähriger Amerikaner der schon seit letztem Jahr in der Ukraine ist und Hilfe leistet, Sergei der ursprünglich aus der Ukraine stammte und zurück gekommen ist weil er sich der Armee anschließen möchte und Bryce der aus Neuseeland stammt. Die Jungs habe ich dann das erste Mal in Kyiv kennengelernt, da dieser Teil unserer Truppe direkt von der Grenze Richtung Kyiv aufgebrochen ist und ich mit zwei anderen Teammitgliedern aus Lviv. Unsere Fahrt verlief eigentlich ziemlich entspannt und wir kamen um 22:15 an unserem Ziel, einem Hotel im Westen von Kyiv, an. Um die Stadt zu betreten mussten wir durch einen Checkpoint wo der Pass von einer Soldatin kontrolliert wurde und der Einreisestempel gesichtet wurde, ob man sich auch wirklich legal in der Ukraine aufhält. Allgemein fiel mir dort auf, dass sehr viele Soldatinnen an Checkpoints tätig sind. Von meinen Erlebnissen dort, würde ich sagen, dass der Frauenanteil in der ukrainischen Armee sicher mit dem der deutschen Armee vergleichbar ist, wenn diesen nicht sogar übersteigt.

Der restliche Teil unseres Teams kam leider erst gegen 2 Uhr nachts in unserem Hotel an. Eigentlich schon nach der Ausgangssperre für Kyiv. Doch dank unserer Papiere kamen sie dennoch durch die Straßensperren und konnten so zumindest ein paar Stunden schlafen, bevor es um 9 Uhr nach einer kurzen Besprechung dann endlich gemeinsam im großen Konvoi nach Kharkiv ging. Da wir mit den Trucks nur etwa 80-90km/h fahren konnten zog sich die Fahrt natürlich relativ lange. Aber am Abend hatten wir den letzten Zwischenstopp vor unserem eigentlichen Ziel in Kharkiv erreicht. Unsere drei freiwilligen Fahrer brachten wir in einem Hotel in der Stadt unter und wir, Richard und ich, machten uns auf zu dem Safe House, das wir in Kharkiv bezogen haben, in dem Liz Olegov und Brian Mayer bereits warteten. Liz ist die Gründerin von Alex21 und Brian einer unserer wichtigsten Organisatoren und die Vertretung der Stadt Westport, die uns enorm unterstützt.

Den nächsten Tag über hatten wir uns einen Tag zum Ausruhen genommen, damit das gesamte Team mal etwas Schlaf nachholen konnte und etwas entspannen konnte bevor es anschließend Richtung Front ging.

Militärtransporter in Zentrum von Kharkiv. Inzwischen fester Bestandteil des Straßenbildes

In Kharkiv ist das Straßenbild etwas anders. In der ganzen Stadt gibt es immer wieder Checkpoints mit Panzersperren und wirklich effizientem Aufbau, durch den man gezwungen wird langsam zu fahren und der im Fall des Falles auch einige gesicherte Gefechtsstände für Soldaten zur Verfügung stellt. Fotos dieser Sperren sind natürlich und verständlicher weise verboten und daran habe ich mich auch strikt gehalten. Wir hatten niemals Kontakt mit einem unfreundlichen Soldaten, dennoch, einen Konflikt provozieren musste man natürlich auch nicht indem man unbedacht Fotos schießt. In Kharkiv sind natürlich auch deutlich mehr Militärfahrzeuge unterwegs als weiter im Westen des Landes aber dennoch nicht übertrieben viele. Die Stadt selbst wirkt eigentlich ziemlich belebt und es scheint, so wurde es mir auch erzählt, dass ein Großteil der Bevölkerung nach der Kharkiv Offensive, welche die Russen so weit zurück gedrängt hat, dass sie die Stadt nicht mehr mit Artillerie beschießen könne, zurückgekommen sind.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch kaum wirkliche Kriegsschäden gesehen, weder in den Städten noch dem Umland. Das sollte sich am darauffolgenden Tag ändern.

Völlig zerstörtes Gebäude im Süden von Izium

Wir treffen uns mit dem gesamten Team und außerdem zwei Reportern um 9 Uhr bei einer Tankstelle in Kharkiv, sprechen kurz die Konvoi Reihenfolge durch, verteilen Funkgeräte und bekleben die beiden Mülltrucks noch mit ein paar Stickern unserer Organisation und dem Städtepartner Westport. Wir decken uns nach dem Tanken außerdem noch mit Red Bull und Kaffee ein und starten den letzten Teil unserer Reise gegen 10 Uhr. Um etwa 12 Uhr überqueren wir eine Pontonbrücke in der Nähe von Izium, da die eigentliche Brücke daneben gesprengt wurde und zur Hälfte in den Fluss gestürzt ist. Ob diese von den Russen bei ihrer Flucht aus dem Gebiet oder von den Ukrainern gesprengt wurde kann ich leider nicht sagen. Doch ab hier war die Gewalt, die Zerstörung und der Tod den Russland mit seinem Angriffskrieg verursacht schließlich allgegenwärtig. Ausgebombte Tankstellen, ausgebrannt PKWs, umgestürzte und von Kugeln zerlöcherte Busse neben den Straßen und auch einige zerstörte militärische Fahrzeuge wie BMP/BTR, sowie explodierte Panzer, die wohl bei der WM im Turmweitwurf teilgenommen hatten.

Einige Minuten und ein paar Kilometer nachdem wir die Brücke überquert haben, machten wir unseren letzten Halt auf der Kuppe eines Hügels an der südlichen Stadtgrenze von Izium. Hier konnte man die Ruinen einer Kirche und die ausgebrannten Skelette von, ich würde mal raten, einem Einkaufszentrum sehen. Der Hügel muss wohl massivem Artilleriefeuer ausgesetzt gewesen sein, denn ich kann mich an kein Haus dort erinnern, welches unbeschädigt geblieben ist. Um mich ein letztes Mal zu erleichtern und mich etwas umzusehen stieg ich über den Schutt der zerbombten Kirche hinweg um hinter einigen Büschen zu pinkeln. Den Weg dahin achtete ich genauestens darauf was dort so vor mit auf dem Boden liegt, da ich nicht versehentlich auf dem Weg zum Pinkeln über unexplodierte Sprengmittel stolpern möchte. Danach heißt es Schutzwesten anziehen, Helm ins Auto legen und es sich versuchen mit der Weste so bequem wie möglich im Auto zu machen um die letzten Kilometer zur Stadt Lyman zu fahren.

Die ersten Meter in die Stadt Lyman hinein

Mit jedem Kilometer den man der Stadt näher kommt und weiter Richtung Osten fährt, desto mehr nimmt die Zerstörung zu. Man sieht offensichtlich von Panzern zerschossene Häuser in deren Fassaden riesige Löcher klaffen, Häuser die von großkalibriger Artillerie verwüstet wurden, Einschüsse von Maschinengewehren, welche faustgroße Stücke Beton wegsprengen, quer über die Straße und auch immer mehr Militärfahrzeuge, die dir entgegen kommen oder mit dir in die gleiche Richtung fahren. Kurzum, du bist im aktiven Teil des Kriegsgebiets in der Ukraine angekommen.

Um das zu untermauern und jeden aus der Gruppe nochmal aufzuwecken lies ein gewaltiger Knall unsere Fahrzeuge vibrieren, keine 500m nach dem Ortsschild „Lyman“. Von Richard aus dem Führungsfahrzeug kam die Ansage: „Alle mal die Fenster etwas runter lassen von den Fahrzeugen.“ Denn das minimiert das Risiko, dass eine Druckwelle die Scheiben in tausende Teile zerspringen lässt von denen die Hälfte dann in deinem Gesicht landen würde. Wirklich viele Leute unterschätzen was für einen Schaden diese Druckwellen verursachen können und wie ekelhaft die Verletzungen durch hunderte von Glassplittern in deinem Gesicht und deinen Augen sein können.

Das positive an dieser Explosion war, dass sie sich für mich sehr stark nach outgoing Artillerie und nicht nach einer incoming Granate anhörte. Das Adrenalin hatte nun wohl seinen Peak erreicht und wir fuhren weiter in das Stadt innere. Nach einigen Minuten Fahrt durch eine fast menschenleere Stadt in der nur andere Autos und Armee unterwegs war, aber keine Passanten, erreichten wir schließlich unser endgültiges Ziel. Ein Teil unseres Teams war bereits vorausgefahren und hatte sich mit dem Bürgermeister und dem Polizeichef von Lyman getroffen und wartete bereits auf uns. Neben den Fahrzeugen hatten wir auch noch einen Kleintransporter, vollgepackt mit 1000 Laiben Brot bei uns, den wir sogleich auch begannen zu entladen. Wir machten die Fahrzeuge zur Übergabe bereit, übergaben die Schlüssel, filmten einige kurze Beiträge für unsere Unterstützer/Spender und das Journalistenteam führte kurze Interviews und filmten die Übergabe. Ohne Footage gibt es nunmal keine Spendengelder, so einfach ist das. Deswegen ist auch dieser Teil unserer Arbeit wichtig.

Während unseres gesamten Aufenthaltes dort hörten wir in regelmäßigen Abständen die Artillerie in etwas Entfernung arbeiten. Auch Automatikgeschütze, die sich sehr stark nach Flugabwehr anhörten ertönten immer wieder. Wer weiß, vielleicht schoss sogar ein deutscher Gepardpanzer ganz in der Nähe auf Ziele.

Wenn man permanent Schüsse und Explosionen hört, gewöhnt man sich sehr schnell an die Situation und zuckt auch nicht länger bei jedem lauteren Geräusch zusammen. Weder Flucht noch wie eingefroren erstarren ist in diesem Augenblick das Richtige und auch niemand aus unserem Team hat aufgrund der Situation Panik bekommen. Wir erledigten alles so schnell und effizient wie möglich um die Zeit, die wir in der heißen Zone verbrachten möglichst gering zu halten. Was uns auch gelang, denn nach etwa 60min hatten wir alles erledigt. Wir teilten uns auf die verbliebenen Fahrzeuge auf und traten unseren Rückweg nach Kharkiv an.

Unsere Truppe Alex21, mit dem Bürgermeister und dem Polizeichef von Lyman bei der Übergabe der Fahrzeugschlüssel

Auf den Weg in die Stadt Lyman hinein, passierten wir mehrere Straßensperren wo unsere Pässe kontrolliert und fotografiert wurden. Wirklich ausführlich geschah das jedoch nur an einem größeren Checkpoint. Der Rest sah meistens, dass wir in einem Konvoi unterwegs waren und winkte uns, nach einigen prüfenden Blicken, durch. Auf dem Rückweg waren wir jedoch nur noch mit einem Land Rover unterwegs. Das führte dazu, obwohl die Grenzposten uns aufgrund von früheren Fahrten kannten, dass wir mindestens 4 Mal kontrolliert und auch etwas ausgefragt wurden, was wir denn dieses Mal hier gemacht hätten. Ich glaube allerdings viel mehr aus Interesse und nicht unbedingt aufgrund eines echten Verdachtes.

Am Abend waren wir bereits zurück in Kharkiv und am nächsten Tag waren wir bereits zurück in Lviv. Zwei Tage und einem kleinen Schneesturm in Polen später lag ich nun wieder in meinem Bett in Deutschland und mein bislang längster Einsatz für unser Team Alex21 war zu Ende.

Eine Frage die ich danach immer wieder gestellt bekommen habe war: „Warum? Warum tust du das und fährst in die heißen Zonen in der Ukraine?“

Ich habe darauf keine einzelne, all umfassende Antwort, sondern zwei Hauptgründe und noch einige kleinere.

Als dieser Krieg ausbrach haben wir alle miterlebt, wie der Faschismus einen Angriffs- und Vernichtungskrieg in Europa vom Zaun gebrochen hat. Das letzte Mal, dass so etwas in diesem Ausmaß geschehen ist, ging dies von Deutschland unter Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus aus. Durch die Aufarbeitung unserer Taten nach der deutschen Niederlage entstand ein kurzer und prägnanter Satz: „Nie wieder!“

Jeder einzelne von uns, muss das tun was in seiner Macht steht um derartige Verbrechen und Kriege zu bekämpfen. Und wenn es nicht zu verhindern ist, sich an die Seite der Opfer zu stellen und diesen zu helfen so lange es notwendig ist. Für mich hat dieser Satz eine Bedeutung und deshalb war mir schnell nach Ausbruch des Krieges klar, dass ich etwas unternehmen musste. Dieser, zu diesem Zeitpunkt, diffuse Gedanke konkretisierte sich im Laufe des letzten Jahres und sorgte schließlich dafür, dass ich mich in Lyman umringt von Zerstörung und gleichzeitig Hoffnung wiedergefunden habe.

Combat Medics in Bachmut mit einem unserer Rucksäcke und Ausrüstung

Auch hatte ich letztes Jahr sehr schnell erkannt, dass die Hilfe, welche Geflüchtete aus der Ukraine hier, in der EU, von normalen Bürgern, erhalten, wirklich groß ist. Ich wollte also dort helfen, wo es zu wenig Unterstützer gibt und wo meine Taten einen maximalen Unterschied bewirken und das ist nun Mal nahe der Front bei den bedürftigsten Menschen, die dieser Krieg leider produziert.

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