Seit dem Tod des irakischen Diktators Saddam Hussein baut der Iran seine Macht im Irak auf. Dabei krallt er sich immer tiefer in den politischen und militärischen Strukturen fest. Unzählige Organisationen wurden gegründet und etliche Milizen finanziert. Inzwischen wird vermutet, dass 25 % der irakischen Verwaltung unter der Kontrolle des Iran stehen. Rund ein Drittel des irakischen Militärs und der Polizei können vom Iran aus gelenkt werden. Dies war eine der Aufgaben des iranischen Generals Qualme Soleimani, welcher im Januar 2020 durch die USA in Bagdad getötet wurde.
Der Einfluss geht soweit, dass iranische Milizen die Millionenstadt Mossul kontrollieren und diese Milizen der irakischen Armee Zugang gewähren – oder auch nicht. In einem breiten Landstrich von der iranischen zur syrischen Grenze können sich die Milizen unbehelligt bewegen.
Das einzige Gebiet, in dem die vom Iran gesteuerten Milizen und Politiker keinen nennenswerten Einfluss haben, ist die Autonome Region Kurdistan im Norden des Irak. Diese hat neben einem eigenen Parlament und einer eigenen Regierung auch eigene Sicherheitskräfte. Deren Armee, die Peschmerga, gehört formal zu den irakischen Streitkräften und wird von Bagdad bezahlt, doch sie folgt nur den Befehlen der kurdischen Regionalregierung in Erbil. Diese hat kein direktes Problem mit dem Iran, auch keins mit der Türkei.
Mit der Türkei hat man gute Handelsbeziehungen, und die türkische Armee bildet Peschmerga aus und liefert Waffen und Munition an diese. Die in der Türkei operierende PKK ist jedoch ein Problem für die Peschmerga, da sich PKK-Kämpfer oft über die türkisch-irakische Grenze nach Kurdistan-Irak zurückziehen und so ihren Kampf mit der türkischen Armee ins Nachbarland bringen. Nachdem die Peschmerga begonnen hatten, die PKK von den bewohnten Gebieten fernzuhalten, kam es zu kleineren Gefechten zwischen PKK und Peschmerga.
Das Problem zwischen der kurdischen Regionalregierung und dem Iran hat ihren Ursprung in der Unabhängigkeit der Politiker und des Militärs. Diese sehen die Amerikaner als ihre Verbündeten an. So gibt es mehrere von den USA benutze Flughäfen in Kurdistan-Irak und es sind mehrere tausend US-Soldaten vor Ort. Permanent starten kleine Spionageflugzeuge sowie Transport- und Kampfhubschrauber von der US-Airbase am Flughafen Erbil. Die Harir-Airbase liegt etwas versteckter, wird aber auch seit Monaten immer weiter ausgebaut. Dazu kommen kleinere Behelfs-Flugfelder, welche bei Bedarf genutzt werden.
Die Amerikaner haben verstanden, wie man mit den Kurden umzugehen hat. Sie besuchen regelmäßig die wichtigen Personen im Land, bringen Geschenkkörbe mit gutem Essen mit und haben immer ein offenes Ohr für die Probleme der Kurden. Allerdings lösen sie diese Probleme nur selten. Die Kurden sagen dazu: „Wir haben keine Freunde, ausser die Berge.“ Dort konnten sie sich einst vor der britischen Luftwaffe verstecken, dann vor Saddam und dort werden sie sich in Zukunft verstecken, wenn der nächste große Krieg kommt. Die Hilfe der Amerikaner nehmen sie gerne an, wissen aber, wie schwierig das Verhältnis ist. Bereits 2014 wollten die Amerikaner erst mit Luftschlägen gegen den Islamischen Staat helfen, wenn die kurdische Regionalregierung das Ziel eines souveränen kurdischen Staates nicht weiter verfolgt. Denn dann, so die Amerikaner, würde der Irak auseinander brechen und es entstünde der Eindruck, dass der Irakkrieg 2003 kein Erfolg war.
Aus Sicht des Iran ist Kurdistan-Irak also das gallische Dorf. Der Ort, um den man einen Bogen machen könnte, aber nicht will. Man möchte keine Amerikaner in der direkten Nachbarschaft haben — und man möchte keine Region, die man nicht steuern kann. Der letzte Angriff der irakischen Armee auf die Peschmerga ist keine vier Jahre her. Damals stoppten die irakischen Truppen hinter Kirkuk, nachdem die Amerikaner und Israelis warnten, die Sache zu übertreiben. Israel hat ebenfalls ein starkes Interesse an der Autonomen Region Kurdistan. Auch israelische Soldaten helfen den Peschmerga. Umgekehrt gingen Peschmerga 1949 nach Israel um dort bei der Staatsgründung zu helfen. Mit dem Iran, der Zentralregierung in Bagdad und Syrien haben die Kurden und Israel genug gemeinsame Feinde.
Doch der Iran würde Kurdistan kaum direkt angreifen. Stattdessen wird die irakische Zentralregierung als Druckmittel eingesetzt. Die Budgetverhandlungen des Staatshaushaltes sind seit 2020 überfällig. Doch die schiitischen Gruppen in der Zentralregierung weigern sich, irgendwelche Kompromisse einzugehen. Derzeit fordern sie, dass Kurdistan-Irak alle Bodenschätze an die Zentralregierung übereignet. Dies ist gemäß irakischer Verfassung verboten und würde Kurdistan komplett in die Abhängigkeit der Zentralregierung führen. Aus Sicherheitskreisen heisst es, dass auch eine De-facto-Auflösung der Peschmerga gefordert wird. Ohne eigene Armee und ohne eigene Bodenschätze würde die kurdische Regionalregierung in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, so dass man die Region schleichend übernehmen könnte.
Heute ging eine weitere Runde der Budgetverhandlungen fruchtlos zu Ende. Die kurdischen Verhandler, unter der Führung des Vizepremiers Qubad Talabani, sind zurückgeflogen und machen gute Miene zum bösen Spiel. Sie hoffen auf eine weitere Verhandlungsrunde und darauf, dass doch noch eine Einigung erzielt werden kann.
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